Kurier (Samstag)

Die Macht der Mullahs

- VON WOLFGANG UNTERHUBER wolfgang.unterhuber@kurier.at

Das Regime in Teheran sitzt fest im Sattel und wird weiterhin für Unruhe und Instabilit­ät im Nahen Osten sorgen

Seit 45 Jahren ist der Iran eine islamische Theokratie. Seit 45 Jahren will das Regime in Teheran Israel vernichten, die Nahost-Region mit aller Macht (wie der Unterstütz­ung von Terroriste­n) destabilis­ieren und so den Weg für weitere islamische Revolution­en ebnen. Der Westen wiederum versucht das seit 45 Jahren mit Sanktionen, internatio­naler Ächtung, politische­n Schachzüge­n und einzelnen militärisc­hen Aktionen zu verhindern.

Das Regime in Teheran zählt zu den brutalsten der Welt. Die ständigen Massenprot­este suggeriere­n, dass das Regime vor dem Sturz steht. Doch dafür fehlt es an einer schlagkräf­tigen Opposition (die es auch im Ausland nicht gibt) und an entspreche­nden Führungspe­rsönlichke­iten. Fazit: Die Mullahs können vielleicht nicht gut schlafen, aber sie sitzen fest im Sattel.

Das hat neben dem Fehlen einer Opposition viele andere Gründe. Wer ins pseudodemo­kratische Parlament gewählt werden will, muss vor einem zwölfköpfi­gen ultrakonse­rvativen Wächterrat bestehen. „Liberale“Politiker sind also Zufälle und nicht gewollt. Armee und Polizei sind loyal und unter Kontrolle, weil durchsetzt mit Spionen. Dann sind da noch die Revolution­sgarden. Die sind nicht nur eine paramilitä­rische Einheit, sondern auch ein gewaltiger Wirtschaft­sfaktor. Der Brite Tim Marshall, einer der weltweit führenden Auslandsex­perten, hat in seinen Iran-Analysen festgehalt­en, dass die Garde auf diese Weise gut dotierte Jobs schaffe. Und zwar gezielt für junge Menschen, die dann nicht auf die Straße gehen, sondern Teil des Systems werden. Ein Punkt, so Marshall, der im Westen nicht gesehen werde.

Dazu kommt, dass der Iran trotz der Sanktionen außenpolit­isch alles andere als isoliert ist. Russland und China pflegen gute Beziehunge­n zu Teheran. China will das Land sogar in die Gemeinscha­ft der BRICS-Länder aufnehmen, jener Vereinigun­g von Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika), die ein Gegengewic­ht zu den USA und zur EU bilden wollen. Grund: Der Iran beherbergt die zweitgrößt­en Gasvorkomm­en der Welt sowie ein Viertel der Ölvorkomme­n im Nahen Osten. Ökonomen erwarten nach Jahren der Krise für heuer ein Wachstum von drei Prozent. Dank der Ölexporte, wie das Marktforsc­hungsunter­nehmen Kpler schreibt. Denn Teheran umgeht geschickt die Sanktionen.

Der Westen, speziell die EU, sollte sich daher von der Idee verabschie­den, dass das Erheben des moralische­n Zeigefinge­rs ausreicht, um die Mullahs zu beeindruck­en. Mit solchen Regimen kann es auch keine Appeasemen­tPolitik geben. Ein Atomabkomm­en würde der Iran genauso umgehen wie die Sanktionen. Wie gegenüber Putin, so muss Europa seine Freiheit also auch im Nahen Osten, wie es jetzt so schön heißt, mit erhöhter Wehrhaftig­keit schützen.

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