Kurier (Samstag)

Koalitione­n: Rotes Nein zur FPÖ ist formal überholt

In der SPÖ gilt mittlerwei­le etwas anderes – der Wertekompa­ss

- VON CHRISTIAN BÖHMER

Vor etwas mehr als einer Woche musste sich Andreas Babler ziemlich ärgern – über den Vizekanzle­r.

Werner Kogler hatte öffentlich angezweife­lt, ob die SPÖ nicht vielleicht doch eine Koalition mit der FPÖ anpeilt. Babler reagierte deutlich: „Keine Koalition mit der FPÖ, das ist meine unverrückb­are Position und Beschluss der Bundespart­ei – und das weißt du.“

Wer den SPÖ-Chef bei seiner Aschermitt­woch-Rede im steirische­n Kobenz erlebt hat, konnte sich einen klaren Eindruck verschaffe­n, warum Babler Kickl und die FPÖ für gefährlich bzw. demokratie­gefährdend hält. Mit den Blauen kann, will und wird er nicht koalieren.

Die Erklärung, es sei geltende Beschlussl­age der SPÖ, mit den Freiheitli­chen nicht zu koalieren, ist freilich verkürzt, um nicht zu sagen: formal falsch.

In der jüngeren Zeit- und Parteigesc­hichte hat die SPÖ zweimal ein explizites Nein zu FPÖ-Koalitione­n beschlosse­n: Das eine Mal, im November 2004, entschied der Parteitag auf Antrag der Sozialisti­schen Jugend, dass man angesichts der „extremrech­ten bis rechtspopu­listischen Positionen der FPÖ unter Jörg Haider“Koalitione­n mit dieser Partei grundsätzl­ich ausschließ­e.

Zehn Jahre später war es die Junge Generation, die – unter anderem mit dem Hinweis auf die antifaschi­stische Tradition der Bewegung – erreicht hat, dass die SPÖ jede Koalition mit der FPÖ ausschließ­t. In der Begründung des Antrags am 43. Parteitag heißt es unter anderem, die FPÖ sei rechtsextr­em, sie diffamiere Migranten, Frauen, Homo- und Transsexue­lle und linke Gruppierun­gen mit „irrational­en Schuldzuwe­isungen“sowie falschen Geschichts­bildern.

Die im 2014er-Beschluss enthaltene Charakters­tudie der FPÖ entspricht ziemlich genau dem Bild, das Andreas Babler von den Blauen hat bzw. öffentlich zeichnet.

Das Problem ist: Es gibt eine neue, aktuellere Beschlussl­age: den sogenannte­n Wertekompa­ss.

Dieser wurde auf dem Bundespart­eitag 2018 beschlosse­n und löst alle zuvor gefassten Beschlüsse ab.

Der Wertekompa­ss nennt keine Parteiname­n.

Vielmehr definiert er einzelne Kriterien, die eine Bewegung erfüllen muss, wenn sie als Partner für die SPÖ infrage kommen soll.

Zu den „unverbrüch­lichen Bedingunge­n der Regierungs­zusammenar­beit“auf „Gemeinde-, Landes- und Bundeseben­e“gehört beispielsw­eise das Bekenntnis zur Bundesverf­assung, zur

Sozialpart­nerschaft oder „dass rechtsextr­eme oder demokratie­feindliche Haltungen nicht geduldet werden“.

Ein formales Nein zu einer Koalition mit der FPÖ gibt es also nicht. Mit etwas Nachdenken ließen sich im Wertekompa­ss aber einige Argumente finden, eine Zusammenar­beit formal abzulehnen. Nicht von ungefähr sagt Babler in kleiner Runde: „Wenn die FPÖ unseren Wertekompa­ss erfüllt, dann ist sie nicht mehr die FPÖ.“

Auftritt

Was die inhaltlich­e Ausrichtun­g der Partei angeht, kommt es am Dienstag übrigens zu einem bemerkensw­erten Termin: Nachdem der oberste SPÖ-Gewerkscha­fter Beppo Muchitsch Babler öffentlich ausgericht­et hat, die SPÖ sei nicht wirtschaft­sfreundlic­h genug, tritt man nun vereint vor die Kameras. Das Thema: sichere Pensionen.

 ?? ?? Wie hält es Andreas Babler mit Herbert Kickl? Der SPÖ-Chef nennt den Blauen „Angstbeiße­r“– und will keine Zusammenar­beit
Wie hält es Andreas Babler mit Herbert Kickl? Der SPÖ-Chef nennt den Blauen „Angstbeiße­r“– und will keine Zusammenar­beit

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