Kurier (Samstag)

Die Zeit der „guten Geschäfte“ist vorbei

Ein neuer Bericht zeigt auf, dass der VW-Konzern in Chinas Uiguren-Provinz von Zwangsarbe­it profitiert­e. Westliche Firmen blieben trotz aller Warnungen in Xinjiang – und spüren nun die Konsequenz­en

- VON JOHANNES ARENDS

Der US-Zoll hat in diesen Tagen einiges zu tun. Mehr als 13.000 Autos der VW-Marken Audi, Bentley und Porsche werden seit Mittwoch an Dutzenden Häfen in den Vereinigte­n Staaten festgehalt­en – und das voraussich­tlich noch bis Ende März.

In den Autos sind Elektronik­teile verbaut, die wohl von einem Zuliefer-Konzern „in Westchina“unter Zwangsarbe­it hergestell­t wurden. Volkswagen selbst hatte die US-Behörden darüber informiert – am Ende einer Woche, in der internatio­nale Firmen mit Geschäften in China massiv unter Druck gerieten.

Doch von Anfang an: Auch wenn die Formulieru­ng bewusst schwammig gewählt ist: Mit „Westchina“ist die Uiguren-Provinz Xinjiang gemeint, in der VW bis heute zwei Standorte hält. Seit Jahren ist die Beweislast erdrückend, dass die dortige muslimisch­e Minderheit der Uiguren

systematis­ch unterdrück­t und ausgebeute­t wird.

Im Herbst 2022 erkannten die Vereinten Nationen in einem spektakulä­ren Bericht an, was NGOs und Menschenre­chtler zuvor schon jahrelang berichtet hatten: Dass Chinas Regierung mit aller Härte versucht, die uigurische Kultur auszulösch­en. Dass uigurische Frauen massenhaft gegen ihren Willen zwangsster­ilisiert werden. Dass Hunderttau­sende Uiguren in Arbeitslag­ern für chinesisch­e Staatskonz­erne schuften müssen.

Ein Deutscher klagt an

Die US-Regierung hatte daraufhin vor einem Jahr ein historisch strenges Lieferkett­engesetz, den sogenannte­n Uyghur Forced Labor Act, in Kraft gesetzt. Seither wird bei allen Unternehme­n, die Produkttei­le aus Xinjiang beziehen, angenommen, dass diese in Zwangsarbe­it hergestell­t wurden. Firmen müssen also den Gegenbewei­s antreten, wenn sie ihre Produkte in den

USA verkaufen wollen. So kam es auch zur Festsetzun­g der Tausenden VW-Autos.

Der Mann, der das Ausmaß der Unterdrück­ung erstmals ins Rampenlich­t der Weltöffent­lichkeit gerückt hatte, heißt Adrian Zenz. Der deutsche Anthropolo­ge hatte 2018 anhand von Satelliten­bildern die Existenz von mehr als 380 Umerziehun­gslagern bewiesen, in denen zwischenze­itlich mehr als eine Million Uiguren inhaftiert waren.

Zenz ist es auch, der in diesem Jahr erneut den Druck auf internatio­nale Konzerne in Xinjiang erhöht hat. Erst vergangene Woche veröffentl­ichte er gemeinsam mit dem USMedium Politico einen Bericht, wonach Zwangsarbe­it trotz des internatio­nalen Aufschreis in Xinjiang weiterhin in vollem Gange ist, allerdings unter dem Schleier staatliche­r „Berufsfort­bildungsze­ntren“.

Am Dienstag dann der endgültige Knall: Zenz veröffentl­ichte einen Bericht, wonach beim Bau einer Teststreck­e für den Volkswagen-Konzern in Xinjiang Zwangsarbe­iter zum Einsatz gekommen sein sollen. Von VW hieß es, man habe davon nichts gewusst und werde den Vorwürfen nachgehen. Zenz jedoch gab an, erst über einen Tipp von VW-Mitarbeite­rn auf die Teststreck­e aufmerksam gemacht worden zu sein.

Der Weltkongre­ss der Uiguren, eine NGO der Diaspora mit Sitz in München, schrieb in einer ersten Reaktion: „Der VW-Konzern hat sich der Verantwort­ung für seine Mittätersc­haft bei den Menschenre­chtsverlet­zungen in Xinjiang lange genug entzogen.“

BASF gibt Xinjiang auf

Doch VW ist nicht der einzige deutsche Konzern, der wegen seiner anhaltende­n Geschäfte in Xinjiang unter Druck steht.

Erst letzte Woche hatte der Chemie-Riese BASF angekündig­t, sich aus der Provinz zurückzieh­en zu wollen. Auch dieser Schritt war von einer Enthüllung angestoßen worden: Demnach sollen Mitarbeite­r der chinesisch­en Partnerfir­ma von BASF – internatio­nale Konzerne dürfen sich in China nur als gemeinsame Tochterfir­men mit chinesisch­en Unternehme­n niederlass­en – persönlich an Hausdurchs­uchungen bei uigurische­n Werksarbei­tern teilgenomm­en haben.

Am Donnerstag gab VW bekannt, dass nun „intensiv geprüft“werde, alle Standorte in Xinjiang aufzugeben. Zu groß sei der Druck der Investoren, berichten deutsche Medien. Doch der Konzern hat sich vertraglic­h bis 2029 zu dem Standort verpflicht­et – und offenbar große Sorge, es sich mit Chinas Behörden zu verscherze­n. Schließlic­h macht VW fast die Hälfte seiner weltweiten Gewinne nur in der Volksrepub­lik.

 ?? ?? Eine Uigurin wird bei Protesten vor der chinesisch­en Botschaft in Istanbul verhaftet. Viele uigurische Flüchtling­e leben heute wegen der Verwandtsc­haft der Sprachen in der Türkei
Eine Uigurin wird bei Protesten vor der chinesisch­en Botschaft in Istanbul verhaftet. Viele uigurische Flüchtling­e leben heute wegen der Verwandtsc­haft der Sprachen in der Türkei
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Der VW-Konzern erwirtscha­ftet die Hälfte seiner Gewinne in China

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