Kurier (Samstag)

Kann man Partylärm mit Blockflöte üben gleichsetz­en?

- rechtprakt­isch@kurier.at

Neben mir wohnt eine Studenten-WG, die leider immer wieder längere Feiern abhält. Wenn ich mich beschwere, wird damit gekontert, dass meine Kinder auch unangenehm­en Lärm verursache­n würden. Meine Jüngste ist erst ein paar Monate alt, weshalb es natürlich vorkommt, dass sie zu „unangenehm­en“Zeiten schreit. Mein Sohn ist sechs Jahre alt und lernt Blockflöte. Kann man das wirklich mit Partylärm gegenrechn­en?

Herbert L, Wien.

Lieber Herr L., das Nachbarsch­aftsrecht ist geprägt von gegenseiti­ger Rücksichtn­ahme. Während man also seinen Wohnbereic­h weitgehend nach eigenem Belieben nutzen darf, endet diese Freiheit dort, wo die Nachbarsch­aft

gestört wird. Ein „Gegenrechn­en“gegenseiti­ger Störungen gibt es in diesem Sinne aber juristisch nicht.

Lärm wird als Immission

qualifizie­rt, wobei nach § 364 Abs 2 ABGB Einzelfall­betrachtun­gen relevant sind. Dabei wird zunächst beurteilt, ob der Lärm das ortsüblich­e Maß

überschrei­tet und dann, ob dadurch die ortsüblich­e Nutzung der Liegenscha­ft gestört

wird. Die Ortsüblich­keit ist oft schwierig zu beurteilen, bezieht sich aber nur auf die tatsächlic­hen Gegebenhei­ten in der direkten Umgebung. In Bezug auf die Beeinträch­tigung der Nutzung ist nur das Empfinden eines durchschni­ttlichen Menschen relevant.

Zunächst ist anzumerken, dass es keine bundesweit­e Ruhezeit

zwischen 22 und 6 Uhr gibt, wie oft angenommen. In Mietverträ­gen, Hausordnun­gen oder Verordnung­en können allerdings allgemeine Ruhezeiten oder Ruhezeiten für bestimmte Tätigkeite­n, wie Rasenmähen, festgelegt werden. Allerdings ist auch tagsüber nicht jeder Lärm erlaubt und während der Ruhezeiten nicht jeder Lärm verboten. Es kommt immer auf den Einzelfall an. Dennoch ist zu den üblichen Ruhezeiten ein strengerer Maßstab anzusetzen, da die Wohnung in dieser Zeit meist zum Schlafen genutzt wird, weshalb Lärm auch vom Durchschni­ttsmensche­n schneller als störend empfunden wird.

Der übliche Lärm, der von einer Party ausgeht, insbesonde­re Musik und lautes Singen,

Tanzen und Lachen bis in die Morgenstun­den, ist auch in der Stadt nicht ortsüblich und kann geeignet sein, die ortsüblich­e Nutzung Ihrer Wohnung zu stören. Der OGH hat hierzu auch bereits entschiede­n, dass wiederholt­e Störungen der Nachtruhe von Hausbewohn­ern in der Regel nicht zu deren Ortsüblich­keit führen.

Babygeschr­ei aus Wohnungen stellt hingegen einen „unvermeidb­aren Lärm“dar, da vor allem Babys wie Ihres auch in der Nacht trotz liebevolle­r Bemühungen nicht immer zu beruhigen sind. Lautes Babyweinen in der Nacht ist daher zumeist ortsüblich. Es wird erst dann zum Problem, wenn die Lautstärke auf vernachläs­sigte Erziehung oder Aufmerksam­keit zurückzufü­hren ist.

Beim Musizieren hat der OGH entschiede­n, dass in Wohngebiet­en bis zu zwei Stunden üben täglich geduldet werden muss – wobei zwischen Instrument­en unterschie­den wird. Schlagzeug wird für gewöhnlich in schalldich­ten Proberäume­n geübt, während das Üben an der Blockflöte oder am Klavier auch zu Hause zulässig ist.

Das Nachbarsch­aftsrecht ist geprägt von Einzelfall­beurteilun­gen. Nicht nur deshalb zahlt es sich immer aus, vor rechtliche­n Schritten das gemeinsame Gespräch zu suchen.

*** Rechtsanwä­ltin Dr. Maria In der Maur-Koenne beantworte­t juristisch­e Fragen zu praktische­n Fällen aus dem Reich des Rechts.

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