Kurier (Samstag)

Der Olympiasie­ger, den Gold nicht glücklich machte

- VON WOLFGANG WINHEIM wolfgang.winheim@kurier.at

„Wäre er nicht Skirennläu­fer, wäre er Drogendeal­er geworden.“Das hatte im US-Fernsehen der Vater über seinen Sohn Bill Johnson gesagt, der vor genau 40 Jahren in Sarajewo zum unberechen­barsten Olympiasie­ger in der Alpingesch­ichte wurde. Nicht weil es dem Kalifornie­r an skitechnis­chem Können fehlte, sondern weil er überall aneckte, als Jugendlich­er beim Autodiebst­ahl erwischt worden war.

Den einzigen Österreich­er, den Johnson – so Johnson im Februar 1984 – nicht hasste, war sein Salzburger Ski-Ausrüster Alois Rohrmoser.

Johnsons Bretteln waren in Sarajewo offensicht­lich besser präpariert als jene seines hochfavori­sierten Atomic-Markenkoll­egen Helmut Höflehner. Für ihn hatten seine steirische­n Landsleute einen Triumphzug in der Ennstaler Heimat schon minutiös geplant. Doch Johnson machte vollgepump­t mit Selbstvert­rauen, das kurz davor wegen seines überrasche­nden Lauberhorn-Sieges ins Unermessli­che

gestiegen war, seine vorlaute Androhung wahr. „Ich werde den Klammer in der Pfeife rauchen.“

Denselben (in Sarajewo dann Zehnter gewordenen) Franz Klammer, der später über seine Stiftung den zum Pflegefall gewordenen Billy finanziell unterstütz­en sollte.

Johnson gewann vor dem Schweizer Peter Müller und Anton „Jimmy“Steiner, der acht Jahre davor bei der Olympia-Abfahrt in Innsbruck nach bester Zwischenze­it an einer Medaille vorbeigest­ürzt war.

Frust in Österreich

Doch in Sarajewo wurde Steiners Bronze nicht begossen. Zu groß war der Frust im (neun Jahre danach während des jugoslawis­chen Bürgerkrie­ges angezündet­en) Österreich­Haus über aus rot-weiß-roter Sicht missratene Winterspie­le.

Während aus dem Osttiroler Steiner in Waidhofen/ Ybbs ein erfolgreic­her Geschäftsm­ann wurde, ging’s mit Johnson auch abseits der Piste bergab. Obwohl wiederholt folgenschw­er gestürzt, ignorierte

Johnson alle Warnungen der Ärzte, versuchte noch mit 40, auf die Qualifikat­ion für Olympia 2002 hoffend, ein Comeback. Das in der Intensivst­ation endete. Dazu kamen private Schicksals­schläge. Sein 13 Monate alter Sohn ertrank im Whirlpool.

Johnsons neurologis­che Probleme – vermutlich durch schwere Gehirnersc­hütterunge­n plus Schädel-Hirn-Trauma ausgelöst – machten ihn noch unberechen­barer. So stand er einmal, aus den USA gekommen, im verwirrten Zustand mitten in der Nacht um Einlass bittend vor der Atomic-Fabrik in Wagrain. Bill Johnson wurde zum Pf legefall und letztlich nur 55 Jahre alt.

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Am Ende doch ein tragischer Held: US-Star Bill Johnson starb am 21. Jänner 2016 als Pflegefall
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