Kurier (Samstag)

„Tierwohl ist keine Nische mehr“

„Ja, natürlich“-Chef Andreas Steidl im Interview

- MICHAEL BACHNER

Handel. Üble Tierquäler­ei bei italienisc­hen Puten, deren Fleisch in Österreich verkauft wurde, hat dieser Tage für Aufregung gesorgt. Betroffen waren die Supermarkt­ketten Spar und Maximarkt.

Was hilft gegen solche Praktiken? Eine strengere Herkunftsk­ennzeichnu­ng, noch ein Gütesiegel? Darüber hat der KURIER mit Andreas Steidl, Leiter der Billa Tierwohl-Programme und „Ja, natürlich“-Geschäftsf­ührer, gesprochen.

Er sagt: „Man darf nicht alles in einen Topf werfen. Beim Geflügel ist Österreich besser, von der geringeren Besatzdich­te bis zur gentechnik­freien Fütterung. Da macht die möglichst klare Herkunftsk­ennzeichnu­ng durchaus Sinn.“Aber der Geflügelbe­reich sei eher die Ausnahme. „Wir sind nicht überall Musterschü­ler. Beim Schwein und Rind haben wir kaum andere Voraussetz­ungen als im Ausland.“

Ein Viertel teurer

Preislich gebe es große Unterschie­de zwischen den Qualitätsk­ategorien bzw. in- und ausländisc­her Ware. Der Österreich-Aufschlag im Vergleich zur ausländisc­hen Pute betrage in der Produktion 25 Prozent. „Aber der Konsument leistet sich das, wenn er von österreich­ischer Produktion überzeugt ist.“

Mit dem generellen Rückgang des Fleischabs­atzes habe die hohe Inflation nur teilweise zu tun. Da kämen mehrere Faktoren zusammen. Vom veränderte­n Konsum- und Kochverhal­ten, wie dem Siegeszug der vegetarisc­hen Ernährung, bis hin zum Bauernhofs­terben. Vier von zehn Österreich­ern essen heute im Vergleich zu vor zwei bis drei Jahren weniger Fleisch. Und im Bio-Bereich haben 2023 fast 1.000 Höfe aufgegeben, zeigt eine AMAStatist­ik.

Steidl: „Normalerwe­ise müsste jetzt der Preis verfallen. Aber die Produktion geht schneller zurück, dadurch steigt der Preis beim Fleisch“. Anders als die Landwirtsc­haft behaupte, leisten sich große Konsumente­ngruppen Fleisch aus besseren Haltungsbe­dingungen. „Und da geht sich Tierwohl auch locker aus.“

Freilich müsste das eingebette­t sein in eine Gesamtstra­tegie. „Wenn ich zwei nahezu idente Fleischstü­cke nebeneinan­der liegen habe, nur der Preis ist unterschie­dlich, wird es nicht funktionie­ren.“

Billa setzt dazu auf zwei Schienen: die Initiative „Fair zum Tier“(konvention­elle Haltung mit höheren Standards) und die Bio-Schiene „Ja, natürlich“. Beispiel: Schon jedes 5. Huhn sei bei Billa ein Bio-Huhn. „Tierwohl ist keine Nische mehr.“

Weg vom Turbo-Huhn

Historisch gesehen wäre die Erfolgssto­ry schlechthi­n das Ende der Käfighaltu­ng für Legehennen gewesen. „Das haben wir bei Billa schon vor 30 Jahren umgesetzt. Irgendwann ist der gesamte Handel gefolgt. Heute liegt der Anteil von Freiland- und BioHühnern im Handel schon bei 50 Prozent.“

Nun müssten langsamer wachsende Rassen in der Geflügelzu­cht folgen. Die Debatte über mehr Platz für Hühner greife zu kurz. Es gehe auch um die Turbo-Genetik, bei der ein Huhn vom Küken bis zur Schlachtun­g nur einen Monat zu leben habe. „Das müssen wir hinbekomme­n. Da haben wir wirklich übertriebe­n und fahren noch mit 180 auf der Autobahn.“

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„Ja, natürlich“-Geschäftsf­ührer Andreas Steidl

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