„Es sind immer Kinder dabei, die hauen“
Experte Kettemann über die EU-Regeln
Matthias C. Kettemann leitet das Institut für Theorie und Zukunft des Rechts der Universität Innsbruck. Mit der EU-Gesetzgebung zu digitalen Diensten und Märkten hat er sich als Herausgeber und Mitautor eines rechtlichen Kommentars ausführlich befasst.
***
KURIER: Wie wird das Gesetz über die digitalen Dienste das Internet in Europa verändern?
Matthias C. Kettemann: Die neuen Regeln verändern die Art und Weise, wie wir online sprechen und Meinungen äußern. Das ist gerade in einem Jahr, in dem viele Wahlen stattfinden, wichtig. Bisher konnten das die Plattformen, von einzelnen Ländern abgesehen, weitgehend selbst entscheiden. Die EU ist zu einer Lösung gekommen, die mehr Rechte für Bürger und mehr Pflichten für die Plattformen bringt.
Für die großen Plattformen gelten die Regeln seit Ende August. Was hat sich bereits geändert?
Die Großen haben einige Verbesserungen durchgeführt. Sie müssen Löschungen, die sie vornehmen, in eine Datenbank einspeisen. Das ist ein neue Art von Transparenz, die wir noch nie hatten. Der Wille, die Regeln zu befolgen, ist bei allen Plattformen da. Außer beim Kurznachrichtendienst X. Es ist wie am Spielplatz: Es sind immer Kinder dabei, die hauen.
Ab März gilt für große Digitalkonzerne auch das Gesetz für digitale Märkte. Bei der Vorbereitung wird viel getrickst.
Dass es in der Praxis Herausforderungen gibt, war zu erwarten. Die Konzerne versuchen, Schlupflöcher zu finden. Vor allem Apple und Amazon, die den Markt stark monopolisiert haben, sind in einer herausfordernden Rolle. Wir müssen aufpassen, dass es in der Praxis nicht zu Schutzlücken kommt. Ich bin Optimist.
Die Regulierung wird greifen?
Keine Regulierung ist so gut wie die entsprechende Medienbildung. Wir müssen auch lernen, wie man sich online verhält und mit digitalen Inhalten umgeht. Das ist eine gesellschaftliche Aufgabe und gilt für jede Altersstufe. Eine Regelung kann noch so gut sein, es sind immer auch die Menschen gefordert, mitzumachen.