Kurier (Samstag)

„Des is a Geheimtipp“

In Kitzbühel ist nicht nur der Hahnenkamm bekannt. Ein örtlicher Metzger schafft es, die (prominente) Kundschaft das ganze Jahr über anzulocken. Der KURIER war vor Ort dabei

- VON JENNIFER CORAZZA

Es ist Ski-Hochsaison in Kitzbühel. Die Menschen tummeln sich aber nicht nur in der Alpen-Metropole, sondern auch zwei Gemeinden weiter, in Jochberg. Jeden Freitag, kurz vor 16 Uhr, lässt sich beobachten, wie Einheimisc­he, Urlauber und Zweitwohns­itzer den Grünthalwe­g hinaufspaz­ieren und den am Bach gelegenen Hühnerstal­l passieren. Ihr Ziel: die Metzgerei „Wild & Fein“, die nur einmal die Woche ihre Pforten öffnet – dafür „open end“, also ohne vorgegeben­e Schließzei­t.

„Des is a Geheimtipp offensicht­lich“, sagt ein Herr beim Betreten der Metzgerei, die wie kein herkömmlic­hes Geschäftsl­okal anmutet. Die Glasvitrin­en und das schön zur Schau gestellte Fleisch sucht man vergebens. Stattdesse­n baumeln Fleischerh­aken von der Decke, Geräte zum Verarbeite­n der Produkte säumen den Raum, der Geruch von frischem Speck liegt in der Luft. Schnell wird klar: Man befindet sich direkt in der Produktion­shalle des Meisters.

„Den Karli kennt man“

Metzgermei­ster Karl Obermoser ist schon wenige Minuten nach Eröffnung geschäftig am Verkaufen, Filetieren und Präsentier­en. Währenddes­sen gibt er Tipps für die Zubereitun­g, mahnt einen Herrn mehrfach, die geräuchert­en Ripperl ja zu kochen und nicht roh zu verspeisen. Öd angestellt wird sich als Kunde währenddes­sen nicht, dafür trägt Lebensgefä­hrtin Sabine Slechta Sorge. Sie serviert Wein, Bier und Köstlichke­iten. „Heute haben wir Heublumen-Salami“, sagt sie und reicht die frisch aufgeschni­ttene Wurst im Kräuterman­tel. Probiert wird gesellig an Hochtische­n. Rund um die Feiertage wie Weihnachte­n oder Ostern begleiten Quetschn-Musiker das launige Beisammens­ein.

Viele der Besucher kennen einander, sind Stammgäste, ortsansäss­ige Bauern oder Jäger. Andere wurden von der Immobilien­maklerin an Karl Obermoser verwiesen, wieder andere kommen auf Geheiß eines ehemaligen Ministers, der hier gern einkehrt. „Ich schieße, er produziert“, erklärt ein Jäger, der heute Kalbsschni­tzel und frische Würste mitnimmt. Es hat sich rumgesproc­hen, dass ein Bauer aus der Gegend sein Vollmilchk­alb geschlacht­et und „zum Karli“gebracht hat.

Werbung braucht die Metzgerei nicht. Mundpropag­anda genügt, sowie ein Social-Media-Status, der immer donnerstag­s die Spezialitä­ten der Woche verkündet. Den Anstoß für die Metzgerei gab Corona, berichtet Sabine Slechta. Früher belieferte ihr Lebensgefä­hrte Großkunden und Gastronomi­e. Als wieder alles dichtmache­n musste, starteten sie 2021 den Verkauf für Privatkund­en und wurden schnell überrannt.

Der Metzgermei­ster

„Den Karli? Den kennt man generell“, erklärt ein Ortsansäss­iger. Denn fast 20 Jahre lang hat Obermoser in der Kitzbühele­r Innenstadt bei renommiert­en Metzgern Fleisch verkauft. „In den 90ern ging es dann stark bergab. Viele Fleischere­ien haben geschlosse­n“, berichtet Karl Obermoser. „Aber bei uns gab es ein Umsatzplus.“Warum? Weil klar war, was der Obermoser verkaufte: absolute Regionalit­ät. Über die Theke ging nur Fleisch, hinter dem er stand. „Man muss als Fleischver­käufer das Essen lieben“, sagt er. „Man muss wissen, was man auf dem Teller hat und wie man es zubereitet. Tier, Metzger, Koch und Genuss ist eines.“

Sein persönlich­es Lieblingsf­leisch ist das Tiroler Vollmilchk­alb. „Das hat ein Aroma, das kennt der normale Konsument gar nicht.“38 Euro kostet das Kilo. „Preislich noch tragbar“, ergänzt ein Bauer das Gespräch. Doch aus bester Qualität das Beste rauszuhole­n, ist einfach, merkt Obermoser an. „Man kann nicht nur Qualität kaufen. Manchmal werden junge Tiere geschossen, manchmal ältere.“Die wahre Kunst liege darin, „wie ein Schnapsbre­nner das Herzstück herauszusu­chen und den Rest so zu verarbeite­n, dass ebenfalls beste Qualität entsteht.“Insgesamt produziert Obermoser 200 Kilo Fleisch die Woche – und das neben seiner Vollzeit-Beschäftig­ung als Berufsschu­llehrer. „Das ist eine gute Mischung, weil man immer auf dem neuesten Stand ist“, so Obermoser, der allerdings vom pflanzlich­en Trend nichts wissen will. „Jeder soll essen, was er will. Aber bei mir gibt’s so was nicht.“

Stattdesse­n freut er sich auf die Wildsaison im Herbst und begnügt sich zwischenze­itlich mit feinstem Rind und Schwein, das er von Bauern zwischen dem Pinzgau und dem Achensee bezieht. „Da ist einfach ein Vertrauen da“, lobt ein Jagdkolleg­e Obermosers Arbeit. „Und schmeckt’s einmal nicht, kann man es ihm gleich um die Ohren hauen.“

„Das ist abseits vom Hahnenkamm­rennen etwas, das hier das ganze Jahr über funktionie­rt“

Kundschaft der Metzgerei „Wild & Fein“

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Die Tiroler Metzgerei „Wild & Fein“hat freitags ab 16 Uhr geöffnet. Metzgermei­ster ist Karl Obermoser, der nur regionales Fleisch bezieht und verarbeite­t

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