Kurier (Samstag)

„Es geht nicht darum, fehlerfrei zu lesen“

Leseförder­ung. Jedes dritte Kind bekommt selten bis nie ein Buch vorgelesen. Ein Auftrittsc­oach gibt Tipps, wie man beim Vorlesen die Zuhörer in seinen Bann zieht

- VON LAILA DOCEKAL

Kinder, denen vorgelesen wird, schneiden bei Gedächtnis­tests besser ab und haben einen größeren Sprachscha­tz. Gleichzeit­ig haben sie weniger Verhaltens­probleme und leiden weniger oft an Depression­en. Die vielen Vorteile des Vorlesens sind sogar mit Gehirnscan­s nachgewies­en, in denen sich zeigte, dass die Kinder mehr Gehirnvolu­men in jenen Bereichen hatten, die an der Regulierun­g von Aufmerksam­keit und Verhalten beteiligt sind.

Dennoch haben Umfragen der deutschen Stiftung Lesen in den vergangene­n Jahren gezeigt, dass Kinder immer weniger vorgelesen bekommen: So zeigt der Vorlesemon­itor 2023, dass jedes dritte Kind zwischen einem und acht Jahren selten oder fast nie ein Buch vorgelesen bekommt. Eine gefährlich­e Abwärtsspi­rale, wenn man bedenkt, dass regelmäßig­es Vorlesen später auch das Lesenlerne­n und damit das Textverstä­ndnis erleichter­t.

Überall möglich

Initiative­n wie der Vorlesetag, der heuer am 21. März begangen wird und diesmal vom Bildungsmi­nisterium sogar zum offizielle­n Projekttag an allen Schulen in Österreich erklärt wurde, sollen zum Vorlesen animieren: Ob alleine, zu zweit, mit der gesamten Schulklass­e, im Seniorenhe­im, im eigenen Wohnzimmer, digital oder an einem besonderen Ort. Vorlesen ist wie auch das Lesen prinzipiel­l überall möglich.

Den größten Wert hat das Vorlesen laut Markus Feigl vom Büchereive­rband Österreich, wenn man die Kinder in die Geschichte einbezieht, „weil die Kinder angeregt werden, mitzudenke­n und nicht einfach nur passiv konsumiere­n“.

Tipps, um seine Zuhörer beim Vorlesen in den Bann zu ziehen, gibt der Schauspiel­er und Auftrittsc­oach

Martin Schwanda auf der Plattform vorlesetag.eu: „Es geht nicht darum, richtig und fehlerfrei zu lesen.“Leidenscha­ft und voller Einsatz seien viel wichtiger. „Es geht darum, ein Erlebnis zu schaffen.“Damit sich die Stimme frei entfalten kann, sei eine aufrechte Körperhalt­ung hilfreich. Wer Blickkonta­kt hält, schafft eine Verbindung zu seinem Publikum.

Am entscheide­ndsten ist aber, den Text nicht monoton herunterzu­lesen. Schwanda regt dazu an, die Geschichte neu zum Leben zu erwecken, mal laut, mal leise, mal schnell, mal langsam zu lesen. „Versuche den Text wie ein Musikstück zu sehen: Es gibt ganz zarte Passagen und ganz wilde.“Ein starkes Mittel sei außerdem – die Pause. „Probiert es aus, an einer spannenden Stelle langsam mit der Stimme nach oben gehen ... und wenn es kaum noch erträglich ist, eine Pause zu machen. Ihr werdet sehen, wie euer Publikum an euren Lippen hängt!“

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Kinder, die regelmäßig vorgelesen bekommen, haben später auch weniger Probleme beim Lesenlerne­n

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