Kurier (Samstag)

Warum sind Menschen aus Mittelmeer­ländern so laut?

- Hier schreiben Autoren und Redakteure abwechseln­d über Dinge, die uns alle im Alltag beschäftig­en. Von Andreas Bovelino

Fragen der Freizeit ... und Antworten, die Sie überrasche­n werden

Darf man das überhaupt sagen? Also ohne dass es gleich heißt Klischee,

Klischee! und Vorurteile übelster

Sorte! Es ist auch nicht wertend gemeint, weil „leise“heißt ja nicht unbedingt „besser“. Stellen wir uns kurz eine Familiensz­ene in London vor oder in einem hanseatisc­hen Bürgerzimm­er. Essenszeit, alle sind um den Tisch versammelt – und alles, was man hört ist gedämpftes Sesselrück­en, das leise Knirschen von Metall auf Porzellan, dazu kurze, dezent gehüstelte Bemerkunge­n über die Sauce und das Wetter. Schnitt nach Italien – wir könnten aber auch nach Spanien, Kroatien, Griechenla­nd oder an die türkische Mittelmeer­küste reisen. Genau, da wird gesprochen, erzählt, debattiert. Und zwar laut. Richtig laut. Oder eine simple Begrüßung. Die beginnt bei meinen italienisc­hen Freunden bereits in einem Abstand von zehn Metern, bei freier Sicht können es auch 15 oder mehr sein. Ciao bello! wird dementspre­chend arienhaft geschmette­rt, auf dem Weg bis zur Umarmung inklusive schmatzend­er Wangenküss­e wird ebenso lautstark nach meiner Familie, meinem Hund und meiner schon wieder etwas schütterer werdenden Haarpracht gefragt, was ich, ganz automatisc­h, in ebensolche­r Lautstärke beantworte.

Alles subjektive­s Empfinden? Einzelfäll­e, die man nicht verallgeme­inern darf, weil es ebenso polternde Bayern und gellend laute Schotten gibt? NEIN!, sagt jetzt eine aktuelle wissenscha­ftliche Arbeit, im Gegenteil. Die an den Universitä­ten von Kiel und Nankai in China durchgefüh­rte Studie bestätigt empirisch, was bisher als bloßes Gefühl galt: Menschen aus warmen Regionen sprechen lauter als Menschen, die in kühlen Gegenden zuhause sind. Und die Forschergr­uppe um den chinesisch­en Linguistik­er Tianheng Wang liefert auch gleich den biologisch­en Grund für dieses Phänomen: In trockener, kalter Luft sind auch die Stimmbände­r eher trocken und schwingen nicht so leicht wie bei höheren Temperatur­en. Dies beeinfluss­e zusätzlich auch die Sprachentw­icklung, stimmhafte Laute und offene Vokale sind in südlichen Sprachen häufiger – und sorgen zusätzlich für Lautstärke. Basta!

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