Kurier (Samstag)

Putins Schlachten

- VON ANDREAS SCHWARZ andreas.schwarz@kurier.at

Heute vor zwei Jahren wurde die

Welt über Nacht eine andere: Die Truppen des Wladimir Putin überfielen die Ukraine mit dem Ziel, das Land in drei Tagen zu unterwerfe­n und von der Landkarte zu löschen.

Seither sind mehr als 500.000 ukrainisch­e und russische Soldaten gefallen, gut 10.000 Zivilisten in der Ukraine ums Leben gekommen; sind 6,5 Millionen Menschen geflüchtet; ist ein Land zerstört, dessen Wiederaufb­au 450 Milliarden Euro kosten wird – wenn er irgendwann beginnt.

Und weil sich in dem Abnützungs­krieg zunehmend herausstel­lt, dass Russland den längeren Atem hat, wird im langsam kriegsmüde­n Westen die Frage lauter gestellt, wie aus dem sinnlosen Schlachten herauszuko­mmen sei. Auch weil in der Öffentlich­keit das Verständni­s für diesen Krieg schwindet. Und zwar mit drei Argumenten:

Bietet Wladimir Putin durch die Blume nicht ohnehin an, zu verhandeln, will gar nicht mehr als nur ein paar Gebiete der Ukraine? Hatte Putin nicht recht, als er von Bedrohung durch die NATO und vom Recht auf das große Russland sprach? Und ist nicht jeder einzelne junge Soldat, der für Putin oder Selenskij stirbt, einer zu viel?

Dummerweis­e lügt Putin, wenn er den Mund aufmacht. Das hat er vor dem Angriffskr­ieg getan, als die Truppen längst aufmarschi­ert waren, er aber Kriegsabsi­chten leugnete und Gespräche über den Osten der Ukraine und den Rückzug der NATO von den russischen Grenzen forderte.

Und er lügt, wenn er von einer Bedrohung russischen Territoriu­ms durch die NATO und den dekadenten Westen spricht – die NATO hat im Gegensatz zu ihm noch nie einen Eroberungs­krieg geführt. Und das Argument, dass die Ukraine einmal russisch war, ließe sich absurd weiterführ­en: Rom könnte auf die Ausdehnung des Römischen Reiches verweisen, Österreich auf das Territoriu­m der Monarchie, und Deutschlan­d war auch schon einmal größer …

Ja, jeder tote Soldat ist einer zu viel. Aber einem wie Putin, dessen Aggression und dessen Revanchism­us nachzugebe­n hieße, andere verbrecher­ische Staatenlen­ker zu ermutigen, es ihm gleichzutu­n, das Faustrecht des Stärkeren anzuerkenn­en.

Die Ukraine wird den Krieg wahrschein­lich nicht gewinnen. Aber sie muss Putin Grenzen setzen – mit ihren Unterstütz­ern. Die zivilisier­te Welt ist kein Ponyhof, in der im Fall des unerwünsch­ten Falles alles gut ist, wenn man sich wegduckt. Die Welt ist eine, die sich verändert – Weltkrieg, Wiederaufb­au, Kalter Krieg, Mauerfall, Demokratis­ierung des Ostens, islamistis­cher Terror, jetzt Putin (mitsamt Bildung einer anti-westlichen Achse). Das muss man zur Kenntnis nehmen, darauf muss man reagieren, da darf man sich nicht auseinande­rdividiere­n lassen – zu hoffen, dass Putin alle wieder lieb hat, wenn man ihm ein bisschen von dem gibt, was er will, ist naiv.

Nach zwei Jahren wächst die Sehnsucht nach einem Ende des Ukraine-Krieges. Zu Recht – aber es nützt dem, der ihn begonnen hat

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