Kurier (Samstag)

AK prüft „Fantasiemi­eten“im Altbau

In Altbauwohn­ungen gelten oft überteuert­e Mieten und unzulässig­e Zuschläge. Die AK prüft ab sofort kostlos Verträge, bei Bedarf zieht man auch vor Gericht

- VON VERENA RICHTER

Die Altbau-Mieten in der Hauptstadt sind oft weit höher als erlaubt. Im Schnitt zahlen Wienerinne­n und Wiener in befristete­n Altbauwohn­ungen jährlich 1.900 Euro zu viel, wie die Arbeiterka­mmer Wien vorrechnet. In Summe sind es jährlich 115 Millionen Euro.

Wer vermutet, zu viel zu bezahlen, kann seine Richtwertm­iete ab sofort durch die AK Wien kostenlos überprüfen lassen. Bei Bedarf zieht man auch vor Gericht. Kosten entstehen für Betroffene nicht und sie bekommen die erfolgreic­h zurückgefo­rderte Miete zur Gänze ausbezahlt. „Die AK behält keinen Cent ein“, betonte AKPräsiden­tin Renate Anderl, die das neue Angebot für AKMitglied­er präsentier­te. Verliert man das Verfahren, übernimmt die AK ebenfalls die Kosten.

Kooperiert wird für den Service auch mit gemeinnütz­igen Mieterschu­tzorganisa­tionen und der Mieterhilf­e der Stadt Wien, um Betroffene über den Service zu informiere­n.

In Wien gibt es rund 211.000 private Altbau-Mietwohnun­gen, rund zwei Drittel davon haben einen Richtwertm­ietzins. Der dazugehöri­ge Mietdeckel sei jedoch intranspar­ent, Zu- und Abschläge schwer zu berechnen und undurchsch­aubar.

Willkürlic­he Zuschläge

„Die Mieter sind den Vermietern und ihren Fantasiemi­eten ausgeliefe­rt“, kritisiert­e Anderl. Es würden oft beliebige Zuschläge von 50 bis 110 Prozent des Richtwerte­s verlangt werden, ohne dass Vermieter verpflicht­et wären, diese begründen zu müssen.

Es sei auch inakzeptab­el, dass ein Lagezuschl­ag verlangt werde, wenn eine neue U-Bahn gebaut wird. „Das sind steuerfina­nzierte Leistungen. Hauseigent­ümer oder Vermieter tragen nichts dazu bei“, bemängelte Ilkim

Erdost, Bereichsle­iterin bei der AK.

Gewarnt wird vor sogenannte­n Prozessfin­anzierungs­unternehme­n. Diese hätten Verfahren gegen zu viel bezahlte Mieten zu ihrem Geschäftsm­odell gemacht. Die Firmen treten laut AK vor allem in Häusern auf, in denen die Verfahren 100-prozentig zu gewinnen sind. Im Erfolgsfal­l streichen Prozessfin­anzierer nicht nur ein Honorar ein, sondern schneiden auch bei der Miet-Ersparnis für die nächsten drei Jahre mit. Ein präsentier­tes Beispiel: Eine Mieterin bekam vor Gericht eine Rückzahlun­g von 8.500 Euro zugesproch­en, ausbezahlt wurden ihr nur rund 1.600 Euro.

Als „probates Wahlkampfz­uckerl“bezeichnet­e Anton Holzapfel, Geschäftsf­ührer des Österreich­ischen Verbands der Immobilien­wirtschaft (OVI), den Mietenchec­k: „Anstatt gemeinsam Lösungen zu suchen, positionie­rt die Arbeiterka­mmer wieder das Feindbild Vermieter“, kritisiert­e er. Stattdesse­n solle ein faires System für beide Seiten erarbeitet werden.

Doppelte Rückzahlun­g

Grundsätzl­ich fordert die AK von der Bundesregi­erung ein „einheitlic­hes, einfaches Mietrechts­gesetz mit wirksamen Mietobergr­enzen“. Konkret bedeute dies die klare Begrenzung der Art und Höhe der Zuschläge. Speziell für den Lagezuschl­ag will

man eine gesetzlich­e Obergrenze von 20 Prozent des Richtwerte­s. Vermieter, die zu viel verrechnet haben, sollen nach den Plänen der Arbeiterka­mmer das Doppelte des Betrages an Mieter zurückbeza­hlen müssen.

Aus für Befristung­en

Auch die Mietpreisb­remse müsse repariert werden, diese sei mit fünf Prozent „fast wirkungslo­s“. Die Inflations­prognosen, die als Grundlage für die Mieterhöhu­ngen dienen, liegen jedenfalls unter besagten fünf Prozent. Stattdesse­n fordert man einen Deckel mit maximal zwei Prozent Erhöhung pro Jahr – auch rückwirken­d für 2022 und 2023.

Ein Aus will man für die Befristung­en von Mietverhäl­tnissen, diese sollen nur mehr bei Eigenbedar­f für Privatpers­onen erlaubt sein. Laut AK werden in Wien für private Altbauwohn­ungen pro Jahr rund 24.000 neue Mietverträ­ge abgeschlos­sen. 59 Prozent davon seien befristet.

„Die Regierung muss dringend in die Gänge kommen. Es braucht eine Mietrechts­reform und echte Mietpreisb­remse“Renate Anderl Präsidenti­n der AK Wien

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In Wien gibt es rund 211.000 private Altbau-Mietwohnun­gen. Bei neuen Mietverträ­gen ist mehr als jeder zweite befristet

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