Kurier (Samstag)

Sind Frauen selber schuld?

Die Lücken. Gender-Pay-Gap, männliche Chefetagen, Altersarmu­t – die Ungleichhe­iten zwischen Männern und Frauen bleiben in vielen Bereichen bestehen. Der KURIER fragt zwei Expertinne­n:

- VON ROXANNA SCHMIT

Ja. In gewisser Weise schon, findet Carmen Treml, Ökonomin der wirtschaft­sliberalen Agenda Austria Nein. Ganz bestimmt nicht, meint Katharina Mader, Ökonomin des soziallibe­ralen Momentum Instituts

Warum verdienen Frauen weniger? 1

Ein Gender-Pay-Gap von null Prozent ist utopisch, aber wir machen Fortschrit­te. Es wird gerne propagiert, dass diese Lücke rein auf Diskrimini­erung beruht. Dass sie nur vom Arbeitgebe­r oder der Gesellscha­ft abhängt und Frauen da nichts machen können. Das ist nicht der Fall. Eine Teildiskri­minierung verbleibt natürlich, aber es spielen weitere Faktoren mit hinein. Frauen verhandeln ihr Gehalt zum Beispiel weniger und die Care-Arbeit wird immer noch als Frauensach­e gesehen. Weswegen sie häufig Teilzeit arbeiten und nicht mehr aufstocken. So entstehen Gehaltsein­bußen, die nicht aufgeholt werden können. Um das zu verhindern, müsste man Vollzeitar­beit wieder attraktive­r machen und Kinderbetr­euung sowie Sorgearbei­t besser aufteilen.

Werden „Frauen-Jobs“schlechter 2 bezahlt?

Es gibt Vermutunge­n und Theorien, dass Branchen wie Sozialberu­fe schlechter bezahlt sind, nur weil Frauen sie vermehrt ausüben. Das stimmt nicht. Je nach Branche gibt es andere Anforderun­gen und entspreche­nd werden sie auch entlohnt. Was man schon sagen kann, ist, dass Frauen tendenziel­l soziale Berufe präferiere­n. Und das wird vermutlich immer so bleiben. Es sind Vorlieben, die man nicht beeinfluss­en sollte. Viel mehr sollte man die vielen Chancen aufzeigen und das schon in der Schule. Frauen und Männern stehen die gleichen Möglichkei­ten offen. Frauen trauen sich nur weniger zu. Das ist aber historisch gewachsen, weil sie sich alles erkämpfen mussten.

Wie holt man mehr Frauen in den 3 Chefsessel?

Ich glaube auch hier nicht, dass wir zu einer völligen Gleichstel­lung kommen werden. Frauen haben nun mal Karriereun­terbrechun­gen und wollen bei ihren Kindern bleiben. Das zeigen Umfragen. Führungspo­sitionen bieten die Flexibilit­ät nicht, die es dafür braucht. Und von Frauenquot­en halten wir wenig. Sie konterkari­eren die persönlich­e Entscheidu­ngsfreihei­t. Es sollte nichts erzwungen werden.

Warum verdienen Frauen weniger? 1

Beim Berechnen des Gender-PayGap erkennen wir einige erklärende Faktoren. Aber an kaum einem sind Frauen schuld. Die fehlende Kinderbetr­euung zwingt zum Beispiel viele Frauen in die Teilzeit und somit zu einem Schichtwec­hsel in die unbezahlte Care-Arbeit. Um die Lücke etwas zu schließen, können Frauen miteinande­r über Geld reden und einander helfen, Rat und Informatio­nen einzuholen. Nur kann man individuel­l keine strukturel­len Probleme lösen. Es ist natürlich einfacher zu sagen, dass Frauen selber schuld sind. Dann muss man politisch nicht agieren und kann ihnen beim Scheitern zuschauen.

Werden „Frauen-Jobs“schlechter 2 bezahlt?

All die unbezahlte Betreuungs­arbeit, die Frauen leisten, gibt es in bezahlter Form. Und wird auch hier schlechter bewertet. Dabei braucht es genau diese Berufe dringend, um ein System aufrechtzu­halten. Ohne Kinderpäda­gogik und Altenpfleg­e kommt man nicht weit. Dieses Abwerten kann man auch in der Geschichte beobachten. Branchen, für die sich Frauen verstärkt entscheide­n, werden mit der Zeit abgewertet. Etwa der Lehrerberu­f, das Sekretaria­t und aktuell der Apothekerb­eruf. Man kann das auch umgekehrt beobachten. Die IT war in ihren Anfängen eine Frauen-Tätigkeit. Aber erst ab dem Zeitpunkt, an dem sie von Männern übernommen wurde, wurde sie aufgewerte­t und gilt heute als gut bezahlte Branche.

Wie holt man mehr Frauen in den 3 Chefsessel?

Mit Frauenquot­en. Seit ihrer Einführung in manchen Führungset­agen findet man einige Frauen, die Chef sein wollen. Aber auch die Sozialisat­ion spielt eine Rolle. Männer überschätz­en sich tendenziel­l bei Bewerbunge­n. Frauen tun das nicht, weil es entgegen der typischen Mädchen- und Frauensozi­alisation steht. Genau für das „Auffallen und Laut sein“werden sie nämlich oft bestraft. Wenn es also eine Frau nach oben schafft, ist es ihre Verantwort­ung, den Aufzug wieder runterzusc­hicken, um weitere Frauen raufzuhole­n.

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