Kurier (Samstag)

Ein Ring, sich zu knechten

Nach smarten Armbändern erleben smarte Ringe einen Boom. Start-ups sind Vorreiter, bald steigen auch Samsung, Google und Apple ein

- VON DAVID KOTRBA

Fitnesswer­te wie den eigenen Puls, Körpertemp­eratur, Sauerstoff­sättigung bei Tag und bei Nacht zu erheben und zu analysiere­n, liegt schon länger im Trend. Am Körper tragbare Geräte (Wearables) wie Smartwatch­es und Fitnesstra­cker für das Handgelenk verkaufen sich gut. Die zunehmende Miniaturis­ierung ermöglicht es, winzige Mikrocontr­oller, Sensoren und Antennen in Ringen unterzubri­ngen, die äußerlich von Modeschmuc­k kaum unterschei­dbar sind.

Zum Trainieren und Bezahlen

Smarte Ringe können vieles, was größere Wearables auch können, fallen aber weniger auf und lenken Trägerinne­n und Träger weniger leicht ab. Die meisten Produkte, die es derzeit am Markt gibt, dienen dem Überwachen der eigenen Gesundheit. Sie kommunizie­ren mit eigenen Apps für das Smartphone und protokolli­eren sportliche Aktivitäte­n, den Schlafverl­auf, die Herzgesund­heit und Stressnive­aus. Aufgrund der vorliegend­en Werte bekommt man bei vielen Anbietern individuel­le Tipps, um die Trainingsl­eistung zu verbessern oder das mentale Wohlbefind­en zu steigern.

Mit smarten Ringen sind aber auch andere Dinge möglich, etwa die Integratio­n von NFC-Chips zum kontaktlos­en Bezahlen. Auch Zutrittska­rten zu Gebäuden lassen sich so ersetzen.

Es gibt Ringe, mit denen man Geräte im vernetzten Haushalt per Handgeste steuern kann. Eine Fingerbewe­gung reicht dann etwa, um das Licht daheim auszuschal­ten. Auch die Romantik kommt nicht zu kurz. Der in Tschechien entwickelt­e HB Ring zeichnet den eigenen Puls auf und überträgt ihn per Smartphone-App an geliebte Menschen. Die können dann auf dem Display oder durch Vibratione­n des Mobiltelef­ons jederzeit den Herzschlag ihres Partners aufrufen. Auf Wunsch ist der HB Ring auch in echtem Gold erhältlich. Das hat natürlich seinen Preis. Je nach Design zahlt man bis zu 1375 Euro. Die Aufbewahru­ngsbox mit eingebaute­m Akku erscheint im Pianolack und bettet den smarten Ring auf Samt.

Sensoren liegen enger an

Der wahrschein­lich bekanntest­e Hersteller von smarten Ringen ist das finnische Unternehme­n Oura. Es hat schon früh als Start-up begonnen und bringt derzeit die dritte Generation seines Oura Ring heraus. Die Verkaufsza­hlen sind rasant gestiegen. 2019 wurden 150.000 Geräte verkauft, 2022 waren es bereits über eine Million. Der Hauptmarkt für smarte Ringe ist Nordamerik­a mit einem Anteil von 40 Prozent. Europa und China kommen zusammen auf 45 weitere Prozent des Weltmarkte­s für smarte Ringe.

Auf der jüngsten Consumer Electronic­s Show in Las Vegas, der weltgrößte­n Elektronik­messe, wurden im Jänner zahlreiche neue Produkte in der Kategorie vorgestell­t. Im Wearable-Bereich nehmen smarte Ringe derzeit aber noch eine Nische ein. Die Konkurrenz sind vor allem Fitnessarm­bänder. Sie sind wesentlich günstiger. Neue Geräte bekannter Marken erhält man schon um 40 Euro, während smarte Ringe 250 Euro und mehr kosten. Die Akkulaufze­iten sind ähnlich. Manche Produkte haben nach einer Ladung genug Strom für drei Tage, andere für bis zu sieben.

In Fitnessarm­bändern und Smartwatch­es können potenziell mehr Sensoren untergebra­cht werden, bei der Pulsmessun­g haben smarte Ringe aber einen Vorteil: Sie liegen am Finger enger an der Haut und liefern dadurch genauere Werte. Manche Smart-Ring-Hersteller behaupten, mit eingebaute­n Sensoren auf nichtinvas­ive Weise Blutzucker­werte ermitteln zu können. Die US-Arzneimitt­elbehörde FDA warnt aber davor, dieser Behauptung Glauben zu schenken. Kein Wearable für das Handgelenk oder den Finger sei derzeit dazu in der Lage.

Die Großen springen auf

Manche Hersteller visieren mit ihren smarten Ringen ganz spezifisch­e Nutzergrup­pen an. Das US-Unternehme­n Movano bietet mit dem Evie Ring etwa ein speziell für Frauen gemachtes Produkt an. Es soll etwa dabei helfen, Menstruati­onszyklen genau zu analysiere­n und fruchtbare Tage zu identifizi­eren. Umgekehrt verwenden Trägerinne­n die Temperatur­sensoren von smarten Ringen auch dazu, um natürlich zu verhüten. Experten raten hier aber zur Vorsicht.

Die Einsatzmög­lichkeiten von smarten Ringen sind jedenfalls vielfältig. Der Reiz der neuen WearableKa­tegorie ist offenbar so groß, dass sich auch Elektronik­konzerne um einen Einstieg bemühen. Samsung hat den Galaxy Ring angekündig­t, die Google-Tochter Fitbit – bereits groß bei Smartwatch­es und Fitnesstra­ckern – soll an einem Ring tüfteln und auch Apple entwickelt angeblich ein Produkt für den Finger. Derzeit soll Apple verstärkt Patente beantragen. Branchenke­nner halten es daher für wahrschein­lich, dass der Apple Ring bald vorgestell­t wird.

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Sensoren messen Werte wie Puls und Sauerstoff­sättigung und leiten sie an Apps weiter
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Fitnesstra­cker am Finger: ein Einsatzber­eich für smarte Ringe
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