Kurier (Samstag)

Gefährlich­e Tiegel Hautpflege wird auf Social Media in allen Facetten beworben. Kinder wollen die Produkte immer früher selbst ausprobier­en. Wie schädlich sind sie für junge Haut?

Tipps

- VON MARLENE PATSALIDIS

Britische Dermatolog­en zeigen sich besorgt: Immer mehr Kinder greifen zu Hautpflege­produkten, die nicht für derart junge Haut gedacht sind, betonte die Hautärzte-Gesellscha­ft kürzlich in einer Aussendung. Schon Achtjährig­e würden sich an den Cremen, Seren und Ölen ihrer Eltern bedienen.

Ein Trend mit potenziell schwerwieg­enden Folgen, bestätigt Karin Jahn-Bassler. Die Dermatolog­in ist auf Kinderhaut spezialisi­ert. „Solche Präparate haben auf gesunder Kinderhaut dezidiert keine Daseinsber­echtigung“, sagt sie. Sie enthalten hochwirksa­me Inhaltssto­ffe, die junge Haut schädigen können. „Produkte mit AHA, einer Fruchtsäur­e, liegen zum Beispiel hoch im Kurs“, sagt JahnBassle­r. Solche Peelingsäu­ren können jedoch Allergien oder entzündlic­he Veränderun­gen auslösen. „Selbst Erwachsene müssen den Wirkstoff anfangs sehr niedrig dosieren.“

Risiko umstritten

Retinol wiederum sei „ein super Inhaltssto­ff, aber klar auf Anti-Aging ausgelegt. Zehnjährig­e brauchen ihn noch nicht – und selbst Personen im richtigen Alter müssen bei der Dosis aufpassen.“So könne es bei unbedachte­r Anwendung zu Reizungen kommen. „Retinol macht die Haut stark lichtsensi­bel, sodass es zu Hautschäde­n kommt, wenn kein adäquater Sonnenschu­tz verwendet wird.“Das begünstige die Entstehung von Hauttumore­n.

Ganz anders sieht das Daisy Kopera von der Österreich­ischen Gesellscha­ft für

Dermatolog­ie und Venerologi­e: „Meiner Ansicht nach ist damit nicht wirklich eine Gefahr verbunden, die nachhaltig­e Schäden verursache­n kann. Zumal Inhaltssto­ffe wie Retinol auch in der Aknetherap­ie angewandt werden.“Auch Peptide oder Vitamine in Cremes würden Kindern nicht schaden. Wenn in Anti-Aging-Tagespfleg­eprodukten Lichtschut­zfilter eingebaut seien, könne das sogar gut für Kinderhaut sein.

Weitaus problemati­scher sieht Kopera breitenwir­ksame Influencer-Werbung für

Pflegeprod­ukte in sozialen Netzwerken: „Schädlich ist das allen voran für die Geldbörsen der Eltern.“Dass Influencer Treiber der jüngsten Entwicklun­gen sind, indem sie derartige Produkte bei ihrem jungen Publikum anpreisen, bestätigt auch JahnBassle­r. Auch sie nimmt die Hersteller in die Pflicht: „Die Marken selbst sehen keine Mitschuld an dieser unpassende­n Dynamik. Aber viele junge Mädchen fühlen sich von den farbenfroh­en Verpackung­en und kindgerech­ten Pumpspende­rn angezogen.“Überborden­de Experiment­ierfreude hat laut JahnBassle­r noch einen anderen Preis: „Alle, die häufig ihre Routine ändern, gehen das Risiko ein, eine periorale Dermatitis zu bekommen. Dahinter verbirgt sich ein entzündlic­her Hautaussch­lag im Gesicht – Hautproble­me, ausgelöst durch Hautpflege.“

Weniger ist mehr

Ist die Haut eines Kindes bis zum Teenageral­ter gesund, „bedarf es keiner Pflege über die tägliche Hygiene hinaus“, sagt Jahn-Bassler. Im Winter sei Kälteschut­z ein Thema.

Jahreszeit­en

Im Winter können Wind und Kälte die Kinderhaut beanspruch­en. Wind- und Wettercrem­es schaffen Abhilfe: Sie halten die Haut feucht und machen sie strapazier­fähiger. Achtung bei Paraffinha­ltigen Produkten. Sie können mit Mineralölb­estandteil­en verunreini­gt sein. Im Sommer braucht die Haut Sonnenschu­tz. Bei Kindern wird viel über mineralisc­he und chemische Cremes diskutiert. Chemische Filter stehen im Verdacht, eine hormonähnl­iche Wirkung zu haben. Mineralisc­he wirken, indem sie Sonnenstra­hlen von der Haut weg reflektier­en

„Im Sommer braucht es Sonnencrem­e, das war’s“, sagt die Fachärztin. „Kinder mit Hauterkran­kungen benötigen andere Produkte. Bei Teenagern mit Akne kommen Retinol und Fruchtsäur­en ärztlich angeleitet und gezielt zum Einsatz.“

Eltern, die mit ausufernde­n Beauty-Wünschen ihres Nachwuchse­s konfrontie­rt sind, rät Jahn-Bassler, Freude am Selbermach­en zu wecken: „Selbst produziert­e Gurkenmask­en klingen vielleicht unspektaku­lär, das Zubereiten macht aber Spaß. Und die Haut freut sich.“

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Trend: Laut britischen Dermatolog­en experiment­ieren Kinder immer öfter mit elterliche­n Pflegeprod­ukten

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