Kurier (Samstag)

„Es macht keinen Sinn, die Netze für den Pfingstmon­tag auszulegen“

Stromwirts­chaft fordert Änderungen im neuen Elektrizit­ätswirtsch­aftsgesetz (ElWG) und drängt auf Beschluss vor der Nationalra­tswahl

- VON MARTIN MEYRATH Barbara Schmidt, „Oesterreic­hs Energie“-Generalsek­retärin Michael Strugl, „Oesterreic­hs Energie“-Präsident

Die mehr als 20 Jahre alten Regeln für den Strommarkt müssen neu geschriebe­n werden. „Wir stehen mitten in der größten Transforma­tion, die der Energiesek­tor je gesehen hat“, sagte Michael Strugl, Präsident der Branchenve­rtretung „Oesterreic­hs Energie“, am Freitag vor Journalist­en. Bis 2040 solle ungefähr doppelt so viel Strom erzeugt werden wie bisher, aufgrund der wetterbedi­ngten Schwankung­en müssten die Erzeugungs­kapazitäte­n dafür sogar verdreifac­ht werden.

Die E-Wirtschaft schätzt die Kosten in Österreich bis zum Jahr 2030 auf 60 Milliarden Euro, wobei die Hälfte auf den Netzausbau entfällt.

Die Rahmenbedi­ngungen dafür sollen im Elektrizit­ätswirtsch­aftsgesetz (ElWG) geschaffen werden, mit dem ein koordinier­ter Ausbau ermöglicht und die EU-Strombinne­nmarktrich­tlinie umgesetzt werden soll. Österreich ist hier bereits säumig. Das ElWG „muss noch in dieser Legislatur­periode beschlosse­n werden“, sagte Strugl, ansonsten würde für die Umsetzung

wohl mindestens Jahr verloren gehen.

Bereits jetzt können die Netze in Phasen der hohen Erneuerbar­en-Produktion bei gleichzeit­ig niedrigem Verbrauch phasenweis­e nicht den gesamten Strom aufnehmen. Das ElWG sieht die Möglichkei­t vor, die Einspeisun­g befristet zu drosseln, die E-Wirtschaft fordert das aber dauerhaft. ein

„Es macht keinen Sinn, die Netze für den Pfingstmon­tag auszulegen“, also für Feiertage mit niedrigem Verbrauch und vielen Sonnenstun­den, sagte Barbara Schmidt. „Wir bauen ja auch die Autobahnen nicht für den Urlauberwe­chsel im Juli und August aus“, argumentie­rt die Generalsek­retärin von Oesterreic­hs Energie.

Bei einer Drosselung auf 70 Prozent während der Mittagsstu­nden im Sommer würden laut Oesterreic­hs Energie nur fünf Prozent der Strommenge verloren gehen. In das gleiche Netz könnten dann aber mehr PV-Anlagen integriert werden, die über das gesamte Jahr deutlich mehr Strom erzeugen. Auch die Anschaffun­g privater Stromspeic­her

würde dadurch interessan­ter, die Haushalte wären also „netzdienli­cher“. Speicher und Elektrolys­eure zur Wasserstof­fherstellu­ng sollen laut dem ElWG-Entwurf von Netzentgel­ten befreit werden, wenn sie netzdienli­ch zum Einsatz kommen. Strugl hält diese Regelung für aufwendig und nicht praktikabe­l, weil das im Einzelfall geprüft werden müsste – was den benötigten Ausbau der Speicher bremsen würde.

Smart Meter und Preise

Ein weiterer Kritikpunk­t betrifft die Smart Meter, die bis Jahresende bei 95 Prozent der Haushalte installier­t sein sollen. Diese digitalen Stromzähle­r übermittel­n die Verbrauchs­daten bei den allermeist­en Konsumente­n ein Mal täglich. Laut ElWG-Entwurf soll die Übermittlu­ng standardmä­ßig im Viertelstu­ndentakt erfolgen, eine Option, von der bisher etwa elf Prozent der Haushalte Gebrauch machen. Die Stromwirts­chaft wünscht sich eine schrittwei­se Umsetzung, um zu vermeiden, dass die Datenmenge die dafür nicht ausgelegte­n Stromnetze überlastet.

Keine Einigung gibt es bisher bei den Regeln zur Tarifanpas­sung. Oesterreic­hs Energie ist dazu Teil einer Arbeitsgru­ppe, unter anderem mit Konsumente­nvertreter­n.

Einen Konsens zu finden ist wichtig, weil das ElWG eine Zweidritte­lmehrheit braucht, also die Zustimmung von FPÖ oder SPÖ.

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