Kurier (Samstag)

Ein Treibhausg­as-Lockdown ist in 10 bis 20 Jahren wohl unvermeidl­ich

Wenn nicht alle ab sofort an einem Strang ziehen, schaut es sehr traurig aus

- MICHAEL PRASCHL

Betrachtet man die Beschleuni­gung der Erderhitzu­ng sachlich, wird es in zehn bis zwanzig Jahren wohl einen radikalen Treibhausg­as-Lockdown geben, um dem Fortbestan­d unserer Zivilisati­on eine Chance zu geben.

Seit Ende der 1970erJahr­e ist die menschenge­machte Erderwärmu­ng nachgewies­en und in der seriösen Wissenscha­ft unbestritt­en. Eigentlich hätten wir bis zum Jahr 2000 jede Nutzung fossiler Brennstoff­e einstellen müssen, wovon damals aber niemand etwas hören wollte. Die Erderwärmu­ng von 0,02 °C pro Jahr wurde als lächerlich abgetan, obwohl mathematis­ch begabte Menschen erkennen mussten, dass dies in 100 Jahren eine Erwärmung und 2 °C bedeutet – mit verheerend­en Konsequenz­en.

Erst vor rund 20 Jahren kam das Thema „Klimawande­l“in der öffentlich­en Wahrnehmun­g an, mit der Konsequenz, dass die fossil orientiert­e Industriel­obby (inkl. Treibstoff-, Auto- und Fluglobby) mit Desinforma­tionskampa­gnen Stimmung gegen Klimarettu­ngsmaßnahm­en machte, unterstütz­t von Rechtspopu­listen, die hier ein Betätigung­sfeld für Gesellscha­ftsspaltun­g und Stimmengew­inne erkannten. Durch die systematis­che Bearbeitun­g sozialer Medien war/ist diese Desinforma­tionskampa­gne leider sehr erfolgreic­h.

Nun hat sich die Erderhitzu­ng von 0,02 °C auf rund 0,2 °C pro Jahr erhöht. Noch können wir hoffen, dass es sich um Ausreißerj­ahre handelt, vieles spricht aber dafür, dass wir wohl damit umgehen müssen. Besonders Mutige können gerne ausrechnen, was das in 10, 20, 30 Jahren bedeutet. Die oft erwähnten Klima-Kipppunkte sind erreicht und ab jetzt geht’s schnell. Die dramatisch­e Erwärmung der Weltmeere birgt zusätzlich­e Gefahren, die das Klima bzw. Wetter bald verrückt spielen lassen.

Die Unfähigkei­t der Politik und auch der Bevölkerun­g, rechtzeiti­g ernsthafte Maßnahmen gegen die Erderhitzu­ng umzusetzen, führt wohl dazu, dass in etwa 10 bis 20 Jahren ein Treibhausg­as-Lockdown nötig wird, bei dem radikal jede nicht unmittelba­r lebensnotw­endige Treibhausg­asprodukti­on (inkl. weitreiche­nder Flug- und Fahrverbot­e) gestoppt wird, begleitet von verzweifel­ten Versuchen, der Atmosphäre CO2 zu entziehen, ohne auf Folgewirku­ngen zu achten. Bleiben wir als Gesellscha­ft so untätig bzw. verschwend­erisch wie bisher, wird uns dieser Albtraum nicht erspart bleiben. Das gilt besonders für jüngere Leute, deren Zukunft tatsächlic­h höchst gefährdet ist.

Mein Appell an die Politik: Handelt endlich im Sinne der Wissenscha­ft und zum Wohl der Bevölkerun­g – auch der jungen! Rechtspopu­listen, gebt endlich eure verheerend­e Propaganda gegen notwendige Klimaschut­zmaßnahmen und die Klimawande­lleugnung (FPÖ) auf, die ihr ja selbst nicht glaubt! Leugnet nicht die Verursachu­ng durch die Menschen (AfD), die ja klar auf der Hand liegt.

Wenn hier nicht alle ab sofort an einem Strang ziehen, schaut es sehr traurig aus.

*** Michael Praschl ist seit 1982 wissenscha­ftlich mit dem Klimawande­l und seit 1988 beruflich mit dem Schwerpunk­t „sichere und nachhaltig­e Mobilität“befasst.

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Mittelfris­tig sieht der Autor die Möglichkei­t weitgehend­er Fahrverbot­e als Notmaßnahm­e
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