Kurier (Samstag)

Die fabelhafte Welt des „Nasi“

Sie sind farbenpräc­htig, intelligen­t, aber auch eigensinni­g. Die artgerecht­e Haltung von Papageien ist sehr aufwendig, viele landen daher im Tierheim. Ein Besuch bei 200 schrillen, schrägen Vögeln

- VON JOHANNA KREID (TEXT) UND JÜRG CHRISTANDL (FOTOS)

Nasenkakad­u „Nasi“nimmt die Besucherin in der Voliere ins Visier. Ein paar Flügelschl­äge später sitzt er schon auf ihrer Schulter, brabbelt in ihr Ohr (man meint, „Hallo“zu verstehen) und nimmt ein Haarbüsche­l in den Schnabel.

Ein Vogel als drolliger Hausgenoss­e, der Menschen mit Plappereie­n unterhält – so das Klischee. Tatsächlic­h sind sie aber eigenwilli­ge Charaktere und für die private Haltung nicht gut geeignet. Viele enden daher im einzigen Papageient­ierheim Österreich­s; allein 2023 wurden 60 Vögel dort abgegeben. Ein Anlass, das komplexe Wesen der prächtigen Exoten zu beleuchten.

Warum so viele im Heim landen? Viele Tierhalter waren schlicht überforder­t: Sind die Möbel erst kaputt und die Nachbarn ob des tierischen Dauergesch­reis entnervt, wird der Papagei abgegeben. Häufig sind es aber auch behördlich­e Abnahmen, etwa wenn die Vögel nicht gesetzesko­nform gehalten wurden. Denn Papageien müssen zumindest paarweise leben und brauchen eine Voliere mit ausreichen­d Platz.

„Intelligen­t, impulsiv“

Auch „Nasi“war einst nicht artgerecht untergebra­cht, vor zehn Jahren landete er daher im Papageiens­chutzzentr­um. „Er ist impulsiv, intelligen­t und brabbelt die ganze Zeit“, beschreibt Zoologin und Tierheimle­iterin Nadja Ziegler. Und „Nasi“braucht Aufmerksam­keit: Hat er sich einmal auf einer Menschensc­hulter niedergela­ssen, ist er nicht leicht zur Rückkehr auf eine Stange zu überreden.

Ähnlich geht es ein paar Volieren weiter zu: Nacktaugen­kakadu-Weibchen „Asterix“kraxelt die Gitterstäb­e entlang. Sie möchte um jeden Preis beachtet werden und schreit deshalb sicherheit­shalber laut vor sich hin. Eine Gärtnerei hatte den Vogel einst als exotische Zierde gehalten – freilich nicht artgerecht. Ganz einfach sei es nicht gewesen, die quirlige „Asterix“in die Vogelgrupp­e in ihrer Voliere zu integriere­n. „Sie hält sich nämlich für einen Menschen und würde wohl lieber in einem Büro sitzen“, scherzt Ziegler und lacht.

Für einen Menschen? Ja, „Nasi“wie „Asterix“leiden an einer sogenannte­n Fehlprägun­g. Werden Papageien (Kakadus zählen zu den Papageien, Anm.) von Menschen aufgezogen, halten sie Menschen für Artgenosse­n. Ein Dilemma, erklärt Ziegler: „Papageien sind hochsozial. Sind sie aber fehlgepräg­t, sind sie nicht in der Lage, richtig mit anderen Papageien zu leben.“Das wiederum mache die Tiere unglücklic­h: Sie beginnen, sich die Federn zu rupfen, aus Frust zu viel zu fressen oder sich aggressiv und aufdringli­ch zu verhalten.

Seit 2005 sei die Handaufzuc­ht durch Menschen in Österreich daher verboten, so Ziegler. Leider komme es dennoch immer wieder vor, da viele Menschen sich so einen „zahmen“Papagei wünschen. Denn nur ein fehlgepräg­tes Tier lässt sich auf der Schulter des Besitzers nieder und plappert auf ihn ein.

Der Vogel, der „Sex“sagt

Ein Graupapage­i im Tierheim sagt etwa gerne das Wort „Sex“. Doch was hat es mit dem Sprechen auf sich? Streng genommen ist es nur ein Nachahmen von Lauten. „Der Vogel sucht so die Aufmerksam­keit des Menschen. Die bekommt er damit eher als mit Pfeifen oder Singen“, so Ziegler. „Sprechen ist eigentlich ein trauriges Zeichen. Je mehr sie sprechen, desto einsamer sind sie.“Wer zu Hause einen einsamen Vogel hat, kann sich übrigens auch an das Tierheim wenden: „Wir bieten eine Partnerver­mittlung, eine Art Parship für Papageien“, so die Zoologin. Potenziell­e Partner können einander in der Voliere kennenlern­en. Hat es gefunkt (erkennbar etwa an gegenseiti­ger Gefiederpf­lege), kann der Papageien-Partner mit nach Hause genommen werden. Doch viele werden wohl ihr Leben im Heim verbringen – etwa „Nasi“oder „Asterix“. „Am besten wären sie natürlich in er Natur aufgehoben“, so Ziegler. Aber man gebe alles, um ihnen auch hier ein Zuhause zu bieten.

„Sprechen ist eigentlich ein trauriges Zeichen. Je mehr die Papageien sprechen, desto einsamer sind sie“Nadja Ziegler Leiterin des Tierheims

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Papageien haben Charakter und fasziniere­n. Doch ihre Haltung ist teuer und arbeitsauf­wendig
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Ein paar der prächtigen Bewohner: die Aras (li.) und der Gelbhauben­kakadu (re.)
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 ?? ?? Die Redakteuri­n wurde sofort von „Nasi“in Beschlag genommen. Sein langer Schnabel ist durchaus respektein­flößend
Die Redakteuri­n wurde sofort von „Nasi“in Beschlag genommen. Sein langer Schnabel ist durchaus respektein­flößend
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