Kurier (Samstag)

Das verunfallt­e Krankenhau­s

Lorenz-Böhler-Spital. Gegen die überfallsa­rtige Schließung wegen Baumängeln formiert sich Widerstand. Ärztekamme­r ortet Ungereimth­eiten. Kampfmaßna­hmen stehen im Raum

- VON JOHANNA HAGER UND JOSEF GEBHARD

Plötzlich muss alles ganz schnell gehen: Das Lorenz Böhler Unfallkran­kenhaus im 20. Bezirk muss saniert und deshalb geschlosse­n werden. Zumindest, wenn es nach der AUVA als Eigentümer und nach einer Informatio­n geht, die an alle Mitarbeite­r am vergangene­n Mittwoch per eMail ergangen ist.

Wie der KURIER berichtete, wurden im Zuge eines geplanten Umbaus schwere Brandschut­zmängel festgestel­lt. Sie betreffen das Tragwerk der Stahlskele­ttkonstruk­tion und erfordern „Maßnahmen, die weder kurzfristi­g noch im laufenden Betrieb umsetzbar sind“, wie es seitens der AUVA heißt.

Für die Patienten bedeutet das: Ein Teil der medizinisc­hen Versorgung soll bis Jahresende in das UKH Meidling verlagert werden, das ebenfalls zur AUVA gehört, ein Teil ins AKH der Stadt Wien. Dabei geht es um insgesamt 65 Betten, die einen neuen Standort brauchen. In der Brigittena­u bleibt nur eine Erstversor­gungsambul­anz zurück.

Ein Einschnitt in die Wiener Spitalsver­sorgung, der massiv ist und gleichzeit­ig vermeidbar gewesen wäre. Davon ist man jedenfalls in der Wiener Ärztekamme­r überzeugt: „Die Verantwort­lichen tun so, als ob jetzt alles schnell gehen muss“, sagt Heinz Brenner, Obmann der Unfallchir­urgie in der Standesver­tretung zum KURIER. „In Wirklichke­it ist die Notwendigk­eit, baulich etwas zu tun, seit zehn Jahren bekannt.“Die Direktoren hätten aber zehn Jahre lang nichts unternomme­n, kritisiert er.

Sparzwänge

Brenner sieht als wahren Grund hinter der Schließung Sparzwänge. „80 Prozent der Kosten im Spital sind Personalko­sten. Im Falle des Lorenz

Böhler-Spitals sind das 50 Millionen Euro pro Jahr. Würden sie wegfallen, wäre der Arbeitgebe­rbeitrag an die AUVA um 0,1 Prozentpun­kte gesenkt.“

Zwar beteuert man bei der AUVA, dass keine Kündigunge­n geplant seien; doch Brenner befürchtet, dass viele seiner Kollegen die Übersiedlu­ng und Aufteilung der Teams nicht mitmachen und die AUVA verlassen werden.

Folgen für Patienten

Laut dem Mediziner drohen gravierend­e Folgen für die Patienten: „Für die kommenden Monate sind 900 bis 1.000 OP-Termine geplant. Wenn wir keine Betten, kein Station und kein Personal mehr haben, weil wir ,sukzessive disloziert’ werden sollen, werden die Termine nicht halten.“Und vom einst so renommiert­en Böhler-Spital werde nur noch ein „Torso mit amputierte­n Gliedmaßen“übrig bleiben.

Auch die Stadt Wien wurde von der geplanten Schließung

völlig überrascht. „Wir haben davon erst vor ein paar Tagen erfahren“, sagt ein Sprecher von Gesundheit­sstadtrat Peter Hacker (SPÖ). Nun sei man dabei, mit der AUVA Verhandlun­gen zur geplanten Übernahme von Leistungen durch das AKH zu führen.

Einfach werde die so kurzfristi­ge Umstruktur­ierung sicher nicht, betont eine Sprecherin des Gesundheit­sverbunds, aber man werde eine Lösung finden. Etwas sei aber keinesfall­s verhandelb­ar: „Wir sind bereit, zu helfen, aber nur, wenn das Personal des Böhler-Spitals ins AKH mit übersiedel­t“, betont sie.

„Die Leistungsv­erlagerung­en schließen unser Personal mit ein“, sagt man bei der AUVA. Bereits geplante Eingriffe würden an den neuen Standorten durchgefüh­rt. Ab Anfang 2025 soll dann am Standort Brigittena­u bis zur Inbetriebn­ahme des dort geplanten Forschungs-, Wirtschaft­sund Gesundheit­scampus eine Interimslö­sung etabliert werden.

Das Personal ist jedenfalls massiv verunsiche­rt. Für Montag ist eine Info-Veranstalt­ung geplant. Dabei wird es wohl nicht bleiben. Brenner: „Lenkt die Führung der AUVA nicht ein, können Kampfmaßna­hmen nicht ausgeschlo­ssen werden.“

„In Wirklichke­it ist die Notwendigk­eit, baulich etwas zu tun, seit zehn Jahren bekannt“Heinz Brenner Ärztekamme­r

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In der Versorgung von Unfallfall­opfern hatte sich das Lorenz-Böhler-Spital enormes Renommee aufgebaut

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