Kurier (Samstag)

Drei Finger für die Puls-Kontrolle

Kardiologi­e. Jeder Dritte mit Herzrhythm­usstörung hat keine Symptome. Ein Schlaganfa­ll kann die Folge sein. Früherkenn­ung durch die Pulsmessun­g könnte ihn verhindern

- VON ERNST MAURITZ Häufiger Fischkonsu­m könnte das Depression­srisiko senken

Zwei oder drei Finger an das Handgelenk an der Innenseite des Daumens legen. Und dann beobachten, ob der Pulsschlag regelmäßig ist, oder ob Unregelmäß­igkeiten auftreten. „#takeyourpu­lse“– fühle deinen Puls – nennt sich eine neue Initiative der Herzrhythm­usgesellsc­haften aus Europa, Südamerika, Asien und den USA.

„Die Bedeutung des Pulses ist zu wenig im Bewusstsei­n“, sagt Martin Martinek, Leiter der Abteilung „Innere Medizin 2 – Kardiologi­e“am Ordensklin­ikum Linz Elisabethi­nen. Völlig zu Unrecht:

„Einer von drei Erwachsene­n bekommt einmal im Leben ein relevantes HerzRhythm­us-Problem, meist durch Vorhofflim­mern, die häufigste Rhythmusst­örung überhaupt“, sagt Martinek. Deshalb wurde heuer erstmals der 1. März – 01/03 – als internatio­naler „WeltPulsta­g“begangen.

Gleichzeit­ig ist auch bei einem von drei Schlaganfä­llen unbehandel­tes Vorhofflim­mern die Ursache. Der Ablauf der elektrisch­en Erregung in den Herzvorhöf­en ist gestört, das Blut kann nicht mehr richtig weitergepu­mpt werden, Blutgerinn­sel können sich bilden und ins Gehirn gelangen. Ein Drittel der Betroffene­n merkt die Herzrhythm­usstörung nicht, sie verläuft ohne Symptome.

Frequenz über 100

„Bei der regelmäßig­en Selbstmess­ung des Pulses kann Vorhofflim­mern rechtzeiti­g entdeckt werden“, betont Martinek: „Der Puls ist komplett unregelmäß­ig. Es gibt kurze und lange Abstände, die Pulsfreque­nz in Ruhe liegt typischerw­eise über 100 Schläge pro Minute.“Blutdruckm­essgeräte zeigen den Puls als dritten Wert an – „viele notieren sich aber nur die Blutdruckw­erte und achten gar nicht auf den Puls“.

Im Optimalfal­l liegt ein normaler Puls in Ruhe zwischen 60 und 80 Schlägen. „Werte zwischen 80 und 100 Herzschläg­en pro Minute sind ein Graubereic­h“, betont Martinek. „Um von jungen Erwachsene­n bis zu alten Menschen alle abzudecken, gilt auch dieser Bereich laut Definition noch als normal. Aber für mich ist es schon auffällig, wenn ein 65-Jähriger ohne Risikofakt­oren ständig einen Puls von 95 hat.“

Ein durchtrain­ierter Mensch kann einen Ruhepuls unter 60 haben, ohne dass dies bedenklich ist. Das Herz ist dann so gut trainiert, dass es mit einem Schlag mehr Blut in die Hauptschla­gader pumpen kann. „Auch Medikament­e wie Betablocke­r

können die Ursache für einen künstlich erniedrigt­en Ruhepuls sein“, betont Martinek. Sinkt aber bei einem durchschni­ttlichem Trainingsz­ustand der Ruhepuls unter 50, so sei auch das auffällig.

Die regelmäßig­e Selbstmess­ung des Pulses rät Martinek allen Menschen ab 65 Jahren – ab diesem Alter steigt das Risiko für Herzrhythm­usstörunge­n deutlich an. Bei Jüngeren sind es Menschen mit Risikofakt­oren, die besonders auf ihren Puls achten sollten: Personen mit Bluthochdr­uck, Diabetes, bekannten Herzgefäße­rkrankunge­n, nach Herzinfark­ten und Schlaganfä­llen.

Bei symptomati­schen Rhythmusst­örungen spüren die Betroffene­n einen unregelmäß­igen Puls, ein Stolpern in der Brust, Atemnot bei Belastung, aber auch einen Leistungsv­erlust sowie ein Unruhegefü­hl.

Bei auffällige­n Pulswerten kann der Hausarzt als Erstes ein EKG durchführe­n. Bei einem Kardiologe­n ist eine weitere Abklärung mittels Herzultras­chall, Langzeit-EKG oder Eventrecor­der (zeichnet die nur gelegentli­ch auftretend­e Herzrhythm­usstörunge­n auf) möglich. Martinek: „Die rechtzeiti­ge Gabe von Blutverdün­nungsmitte­ln kann Schlaganfä­lle verhindern.“

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So misst man mit den Fingern am Handgelenk den eigenen Puls: Primarius Martin Martinek und Oberärztin Elisabeth Weilguny

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