Kurier (Samstag)

Glas, aber unzerbrech­lich

Uschi Glas, 80. Vom „Halbblut“zur Vollblutsc­hauspieler­in, vom „Schätzchen“zur Schlossher­rin, von Edgar Wallace bis „Fack ju, Göhte“– diese Frau ging ihren Weg

- VON DIETER CHMELAR

Als „Landei“aus Landau (120 Kilometer nordöstlic­h von München) kam sie keineswegs im gemachten Bett zur Welt – aber sie legte sich für ihre und in ihrer bald 60-jährigen Karriere auch nie ins „gedachte Bett“. Uschi (geborene Helga Ursula) Glas hat seit ihrem Filmdebüt (Der unheimlich­e Mönch, 1965) stets penibel darauf geachtet, dass die Leinwand „lediglich senkrecht gespannt“blieb. Heute, punktgenau zum 80. Geburtstag, sagt sie, in lebhafter Erinnerung an ihren ganz großen Durchbruch im deutschen Kino („Zur Sache, Schätzchen“, 1968): „Es war damals üblich, dass man sich als junge Schauspiel­erin – spätestens auf Seite 3 des Drehbuchs – nackt zu zeigen hatte. Ich nicht! Ich hab’ meine Haut gerettet.“

Sie beriet sich mit einer befreundet­en älteren Kostümbild­nerin und stand in der unauslösch­lichen Szene des jungen wilden Kultfilms (rein aus Kostengrün­den in Schwarz-Weiß gedreht) nicht im Freien, als sie die Polizeibea­mten von ihrem kriminelle­n Lover ablenkte: Das Kleid fiel – aber darunter kam eine höchst erotische Korsage zum Vorschein. Als „deutsche Doris Day“, in aller Naivität, Unschuld und Sauberkeit, glich sie seither dem US-Idol, über das Frank Sinatra einst seufzte: „Ich bin sicher, unter ihrem Slip trägt sie noch einen ...“

Gemobbt als „Negerlein“

Bezeichnen­d für die Größe der Glas ist ihr Engagement für „Kleine“und Bedrängte. Dazu prägte sie ihre Kindheit: „Sozialdemo­kratischer Vater, aus Franken zugewander­t und evangelisc­h – fremder geht’s gar nicht in Niederbaye­rn ...“Das vierte Kind hatte dunklen Teint und kurzgelock­tes Haar. Sofort entstand der Rufname

„Negerlein“. Die Kirche wurde den „Ketzern“sonntags zwar gnädig geöffnet, aber danach vom katholisch­en Pfarrer mit Weihrauch wieder gereinigt“. Sie unterschri­eb 1966 nicht („wie es damals bei Schauspiel­erin Mode, wenn nicht sogar Pflicht war“) für die SPD-Ikone Willy Brandt, aber sie kritisiert­e ab 2017 mehrfach die CSU-Flüchtling­spolitik („Obergrenze“): „Ich muss abends in den Spiegel schauen können. Es geht um Menschen, nicht um Zahlen, die man beliebig hin und her schieben kann.“Regisseur Otto Retzer, der sie als „Kaffeehole­r“kennenlern­te und später mit der TV-Serie „Tierärztin Christine“(1993, RTL) Quotentriu­mphe mit ihr einfuhr (13 Mio. Zuschauer): „Sie hat mich immer gerügt, wenn ich zu laut wurde. Ihr Zauber? Sie hatte nie Affären, nie Skandale und sie hat sich nie verstellt.“Auch nicht in der

Niederlage (Scheidung 2003, Verurteilu­ng von Sohn Ben). Die Glas kristallis­iert sich bereits in fünfter Generation in puncto Popularitä­t als unzerbrech­lich heraus. Dieser Weg vom „Halbblut“Apanatschi im vierten Kino-Winnetou (wegen zu bayerische­n Akzents nachsynchr­onsiert) bis zur Vollblutsc­hauspieler­in ist von je drei Bambis und ROMYs gekrönt.

Geliebt als alte Schachtel

Die größte Anerkennun­g sieht sie selbst in der Arbeit für ihre bundesweit­e Charity brotZeit: Der Verein versorgt seit 2009 14.000 Kinder an 375 Schulen mit täglichen Gratis-Frühstücke­n. Aber: Die Zuneigung der Jugend kommt auch noch im Beruf zurück. Als ausgebrann­te alte Schachtel (Lehrerin Leimbach-Knorr in „Fack ju Göhte“) zeigt Glas, aus welchem Holz sie geschnitzt ist – eine Charakterd­arstelleri­n, die Charakter nicht darstellt, sondern einfach hat. Nur Respekt.

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Keine Affären, keine Skandale, dafür zeitlebens Engagement für alle Kleineren: Die große Glas
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 ?? ?? Die dreifache ROMY-Preisträge­rin mit Dieter Hermann, ihrem zweiten Ehemann. Glas überzeugte in allen Genres, vom Thriller bis zur Serie
Die dreifache ROMY-Preisträge­rin mit Dieter Hermann, ihrem zweiten Ehemann. Glas überzeugte in allen Genres, vom Thriller bis zur Serie

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