Kurier (Samstag)

Vom Küchengehi­lfen in Dubai zum Söldner in der Ukraine

Vertreter einiger Nationen kämpfen in der Ukraine – nicht alle freiwillig

- VON ARMIN ARBEITER

Kurz nach der Geburt seines Kindes wurde Azad Yousuf Kumar klar, dass er mehr Geld für seine Familie verdienen muss. In seinem Dorf im indischen Kaschmir gab es diese Möglichkei­t nicht – so informiert­e sich der 31-Jährige im Internet und wurde auf Youtube fündig.

Gegen 3.000 Euro Vermittlun­gsgebühr winkte ein Job als Küchenhilf­e in Dubai. Im Dezember verabschie­dete sich Kumar von seiner Familie, bestieg das Flugzeug in die Vereinigte­n Arabischen Emirate. Jetzt steckt er in russischer Uniform an der ukrainisch­en Front fest. Gegen seinen Willen, wie seine Familie sagt. „Sie nahmen ihm in Dubai das Telefon ab und schickten ihn nach Russland. In Russland wurde er für die russische Armee rekrutiert.“Drei Wochen hätten sie keinen Kontakt gehabt. „Er hatte keine Ahnung, dass er dorthin gebracht wird“, sagte sein Vater Mohammed Yousuf indischen Medien.

Kumar musste laut seinem Vater Verträge unterschre­iben, die auf Russisch verfasst waren, eine Sprache, die er nicht versteht. Anschließe­nd sei er an die Armee übergeben worden, wo er eine 15-tägige Ausbildung absolviere­n musste und durch ein Projektil am Bein verletzt wurde. Dann ging es an die Front.

Wie vielen Indern ein ähnliches Schicksal widerfahre­n ist, ist nicht ganz klar. Die indische Regierung spricht von 20 ihr bekannten

Fällen – man tue alles dafür, sie aus ihren Verträgen zu lösen, heißt es aus Neu-Delhi.

Dabei trifft diese russische Rekrutieru­ngsmaßnahm­e nicht nur Inder: Auch aus Nepal ist bekannt, dass – neben einigen Freiwillig­en – Männer mit Arbeitsang­eboten nach Russland gelockt und dann zwangsverp­flichtet wurden. Wieder mit Unterschri­ften russischer Freiwillig­enmeldunge­n, die sie nicht verstanden. Die nepalesisc­he Regierung verbietet ihren Bürgern mittlerwei­le, für Jobs nach Russland oder in die Ukraine zu reisen. Zu hoch sei das Risiko von Zwangsverp­flichtunge­n. Ob dies auch auf ukrainisch­er Seite geschehen sei – das kann die nepalesisc­he Regierung nicht bestätigen.

Laut Berichten Zwangsrekr­utierter aufseiten Russlands bleibt nicht viel übrig als den Dienst zu erfüllen. Die Alternativ­e wäre Haft. Berichten zufolge beläuft sich der Sold auf umgerechne­t 2.000 Euro im Monat.

Der weitaus größere Teil ausländisc­her Kämpfer in der Ukraine sind aber Freiwillig­e: Kämpfen syrische Rebellen auf ukrainisch­er Seite, so haben sich Kämpfer syrischer regierungs­treuer Milizen den russischen Streitkräf­ten angeschlos­sen. Das muss nicht unbedingt mit der Feindschaf­t im Herkunftsl­and zu tun haben: Ehemalige syrische Rebellen kämpfen bereits seit längerem als Söldner für die Türkei und sollen dort 1.000 Euro im Monat bekommen – die Ukraine soll mehr als 3.000 Euro zahlen.

Auch aus Kolumbien, wo ein Korporal 400 Euro im Monat erhält, sollen etwa 100 Soldaten im Dienst der Ukraine sein. „Das sind keine Freiwillig­en, die die Flagge eines anderen Landes verteidige­n wollen“, sagt ein kolumbiani­scher Militärsan­itäter zur AP. „Sie sind durch wirtschaft­liche Not motiviert.“

„Er wurde gezwungen, der russischen Armee beizutrete­n; er hatte keine Ahnung, dass er dorthin gebracht wird“Mohammed Yousuf Kumar Vater eines Rekrutiert­en

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Der Bruder eines durch Russland zwangsrekr­utierten Inders: Zumindest 20 sollen es sein, die unfreiwill­ig kämpfen müssen

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