Wieso Macron noch immer von Bodentruppen spricht
Frankreichs Präsident attackiert Kremlchef Putin. Das hat auch innenpolitische Gründe
Paris. Handelte es sich bei Emmanuel Macrons Aussage vor fast zwei Wochen, er schließe den Einsatz von Bodentruppen in der Ukraine nicht aus, nur um einen unbedachten Patzer?
Frankreichs Präsident tat zuletzt alles, um diesen Eindruck zu vermeiden. Er „stehe voll und ganz“zu seinen Äußerungen, versicherte er. Die Ukraine gelte es zu unterstützen, „koste es, was es wolle“. Was treibt den 46Jährigen an, der selbst Wochen nach Beginn der russischen Angriffe auf die Ukraine das Gespräch mit Putin suchte? Der noch im Frühsommer 2022 warnte, diesen zu „demütigen“?
Der politische und militärische Kontext habe sich verändert, sagt Politikwissenschaftler Bertrand Badie. Längst sei die Unmöglichkeit eines Dialogs mit Putin offensichtlich. „Die Europäer sind sich ihrer eigenen Verletzbarkeit bewusst geworden.“Macron, der stets für eine stärkere Verteidigungskraft der EU eintrat, strebe eine europäische Führungsrolle an. Freilich beißt sich dies mit der Tatsache, dass Frankreich bei militärischen Hilfen weit hinter anderen zurückliegt.
Doch die provokante Wortwahl hat auch innenpolitische Gründe. Laut Thomas Gomart, Direktor des französischen Instituts für internationale Beziehungen, wolle er „den Ernst der Situation in der Ukraine unterstreichen und vor den europäischen Wahlen die politischen Spaltungspunkte hervorbringen“. Macron versucht der Bevölkerung einzubläuen, dass in der Ukraine ein Kampf um die Sicherheit Europas ausgefochten wird. In dieser Woche lud er seine Vorgänger Nicolas Sarkozy und François Hollande zu Gesprächen ein, ebenso wie alle Parteichefs – ein ungewöhnlicher Vorgang.
Eindeutige Position
Außerdem zwingt er seine Gegner, eindeutig Position zu beziehen; insbesondere den rechtsextremen Rassemblement National (RN), den Umfragen bei der EU-Wahl im Juni als stärkste Kraft sehen. RN-Frontfrau Marine Le Pen ließ 2022 auf Wahlkampf-Broschüren
noch ein Bild von sich drucken, auf dem sie Putin lächelnd die Hand reichte. Jahrelang finanzierte sich ihre Partei über russische Kredite. Inzwischen ist sie auf Distanz zu ihrem einstigen Idol, kritisiert aber Waffenlieferungen an Kiew.
Dass laut Washington Post Verbindungen zwischen Moskau und der Partei fortbestehen, ist ein Hauptangriffspunkt für Macron. „Wenn Sie 2022 gewählt worden wären, würden wir heute Russland Waffen liefern, um die Ukrainer zu zerstören“, sagte Premierminister Gabriel Attal in Richtung Le Pen. Nächste Woche wird das Parlament über die französische Ukraine-Politik abstimmen.