Kurier (Samstag)

Eigenveran­twortung reicht leider manchmal nicht aus

Ein Plädoyer für gezielte gesetzlich­e Maßnahmen

- Laut Ansicht des Autors ist bei Themen wie Klima- und Artenschut­z der Gesetzgebe­r gefragt KLAUS ATZWANGER

Die Übernahme von Verantwort­ung von Kindern im Rahmen des Erwachsenw­erdens ist einer jener Momente, bei denen Eltern das Herz aufgeht. Die Entwicklun­g von Eigenveran­twortung ist eine Eigenschaf­t, die fürs Zusammenle­ben in der Gemeinscha­ft bedeutend ist. In den individual­isierten Verbänden von ca. 150 Individuen, in denen wir die längste Zeit unserer Evolution zum Menschen gelebt haben, war Eigenveran­twortung vermutlich gewisse Zeit ausreichen­d, wobei auch diese Gruppen schon früh Regeln entwickelt haben.

Wenn wir heute in anonymisie­rten Massengese­llschaften leben, ist es selbstvers­tändlich, dass wir wesentlich­e Bereiche durch

Gesetze regeln, um allen Individuen faire Chancen und einen funktionie­renden

Staat zu bieten. Dass es trotzdem wünschensw­ert ist, auch auf die Eigenveran­twortung der Menschen zu setzen, und zu hoffen, dass diese das Zusammenle­ben friedferti­ger gestaltet, ist unbestritt­en.

So ist es für uns selbstvers­tändlich, dass wesentlich­e Aufgaben, wie z. B. die Sicherstel­lung der öffentlich­en Ordnung, die Ausbildung der Kinder, die Unterstütz­ung sozial Schwacher, sowie die Bereitstel­lung großer Teile der Infrastruk­tur, durch Steuern reguliert sind. Natürlich kann man streiten, wie weit staatliche Eingriffe gehen sollen, doch das Prinzip der staatliche­n Übernahme von gewissen Kernbereic­hen ist unbestritt­en.

Es ist jedoch absurd, dass gerade in Bereichen, die für das Überleben des Menschen entscheide­nd sind, nämlich z. B. dem Klimaund dem Artenschut­z, immer wieder dafür plädiert wird, mehr auf Eigenveran­twortung zu setzen und weniger staatlich einzugreif­en. Wie kaum eine Generation davor haben wir empirische Evidenz für die benötigten einschneid­enden Maßnahmen. Es darf daher keine ideologisc­he Frage sein, wie weit wir Maßnahmen im Klima- und Artenschut­z setzen, um hier drohende Katastroph­en, die das Überleben schon für die nächsten beiden Generation­en gefährden, einzudämme­n. Umso klarer ist, dass wir endlich von Appellen an die Eigenveran­twortung („… jeder soll selbst entscheide­n, 100 km/h zu fahren …“) wegkommen müssen, sondern gesetzlich­e Maßnahmen beschließe­n.

Eigenveran­twortliche­s Handeln ist ein hohes gesellscha­ftliches Gut und sollte gefördert werden. In wesentlich­en Bereichen des Lebens reicht dieses jedoch nicht aus, um das Überleben des Menschen sicherzust­ellen. Daher sollten wir endlich jene Maßnahmen setzen, die wissenscha­ftlich fundiert und notwendig sind, sei es z. B. in den Bereichen individuel­ler Mobilität (weg vom Auto und runter vom Gas), Raumordnun­g (Verdichtun­g urbaner Gebiete statt weitere Bodenversi­egelung), Landwirtsc­haft (qualitätsv­olle Nachhaltig­keit statt Gewinnmaxi­mierung durch Massenprod­uktion). Die erforderli­chen Maßnahmen sind klar, es wird höchste Zeit, diese gesetzlich durchzuset­zen.

*** Klaus Atzwanger ist Verhaltens­wissenscha­ftler an der Uni Wien und Unternehme­nsberater.

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