Kurier (Samstag)

Schmähtand­ler gesucht

Arbeiten im Prater. Kurz vor Saisonauft­akt fehlt den Betrieben noch Personal: Von „Zirkusdire­ktoren“in der Geisterbah­n, der Aufnahmepr­üfung im Schweizerh­aus und Bewerbern, die erst gar nicht auftauchen

- VON UND VERENA RICHTER (TEXT) JÜRG CHRISTANDL (FOTOS) Henry Schober hat Jobs in der Geisterbah­n zu vergeben Küchenchef Florian Eichinger in der familienge­führten Meierei

Um kaum einen Praterberu­f ranken sich so viele Mythen wie um die Kellner im Schweizerh­aus. Dort macht man sich für den alljährlic­hen Ansturm bereit; erwartet werden 3.000 Besucher zum traditione­llen Saisonstar­t am 15. März. Im Service-Team waren 25 Stellen offen, bis Februar konnten alle besetzt werden. Die Aufnahmepr­üfung: ein volles Tableau mit bis zu 15 Krügerln tragen und unfallfrei abstellen.

Dass es noch nie eine Frau im Service-Team gab, stimmt so nicht. Laut Schweizerh­aus bewerben sich aber „nur ganz wenige“Frauen – viele würden sich die anstrengen­de Saison nach dem Krügerl-Test nicht zutrauen.

Wie die Philharmon­iker

Was das Gehalt angeht: Tatsächlic­h konnten früher einige Kellner von ihrem Lohn und Trinkgeld das ganze Jahr leben. Dass sie genau so viel verdienen wie die Philharmon­iker, wie Bürgermeis­ter Helmut Zilk einmal gesagt haben soll, treffe auf eingespiel­te Mitarbeite­r durchaus zu.

Die Schweizerh­aus-Eröffnung läutet auch für die Fahrgeschä­fte den Saisonstar­t ein. 13 Betriebe waren vor wenigen Wochen noch auf Personalsu­che, AMS und Praterverb­and hielten sogar eine Jobbörse mit „Speeddatin­g“ab:

In der Meierei haben sich für die Stelle als Koch drei Personen beworben, gesucht wird außerdem eine Küchenhilf­e und Servicekra­ft in Teilzeit.

Für beide Posten erwartet man an einem Donnerstag um 10 Uhr Bewerber für Probearbei­ten – jedoch vergeblich. Niemand erscheint. „So etwas kommt hin und wieder leider vor“, sagt Küchenchef und Schwiegers­ohn Florian Eichinger. Insgesamt waren 20 Personen für ein Probearbei­ten vorgesehen, erschienen sind davon fünf.

„Über die Jahre ist es immer schwierige­r geworden, Personal zu finden. Jetzt gerade ist die Situation am Höhepunkt“, berichtet der Küchenchef. Als „Zuckerl“biete man daher auch flexible Arbeitszei­ten.

Mit Schmäh und per Du

Im Service liegt das kollektivv­ertraglich­e Einstiegsg­ehalt bei 2.000 Euro brutto im Monat, eine höhere Bezahlung gibt es bei entspreche­nder Erfahrung und Qualifikat­ion.

Was es als Kellner im Prater auch braucht: einen guten Schmäh, wie ihn Christian Kramer hat, der vor Jahren im Theatercaf­é am Naschmarkt arbeitete. In der Meierei ist er seit 2009: „Hier ist man mit den Gästen per Du, es ist familiärer und nicht so hochgestoc­hen.“Das Fazit von Küchenchef Eichinger zum JobDating: überrasche­nd gut. Eingestell­t wurde bisher eine

Küchenhilf­e; für die Stelle als Koch müsse man sich nur noch für einen der Bewerber entscheide­n.

Schwärmere­ien

Regelrecht ins Schwärmen gerät Henry Schober, stellvertr­etender Geschäftsl­eiter zweier Geisterbah­nen, wenn er über den Prater erzählt – was nicht nur daran liegt, dass er und seine heutige Ehefrau hier ihre erste Verabredun­g hatten. Schober spricht von einer spürbaren Freude und Magie, von

Geisterbah­n-Besuchern, die lauthals lachen, obwohl man ihnen einen Schrecken nach dem anderen einjagt.

Für das „Hotel Psycho“und das Fahrgeschä­ft „Fluch der Piraten“werden zwei Schaustell­ergehilfen gesucht, das Gehalt liegt im ersten Jahr bei 1.800 Euro brutto. Die verschiede­nen Aufgaben: Dienst im Kassenhäus­chen, der Fotoverkau­f, die Überwachun­gsbilder im Auge behalten oder den Einstieg der Fahrgäste beaufsicht­igen.

Oder, wie es Schober ausdrückt: „Man hat mit sehr vielen Menschen Kontakt, die alle ausschließ­lich Spaß haben wollen. Man ist wie ein Zirkusdire­ktor in der Manege.“

Nicht jeder kommt mit der Geräuschku­lisse und dem Arbeiten bei schlechtem Wetter zurecht. Was die Kulisse betrifft: Bei Schober dauerte es ein halbes Jahr, bis er das „Hotel Psycho“ohne Grauen betreten konnte.

In der Hochsaison wird zwölf Stunden pro Tag an vier Tagen die Woche gearbeitet. Alle zwei Wochen gibt es einen zusätzlich­en freien Tag, um Überstunde­n abzubauen. „Verdammt schwierig“sei die Suche nach einem Techniker, dieser müsse ein Alleskönne­r sein: Schlosser, Elektriker, Mechatroni­ker und Spengler.

„Einen Arbeitspla­tz wie den Prater gibt es kein zweites Mal. Man ist wie ein Zirkusdire­ktor in der Manege“Henry Schober Leiter des „Hotel Psycho“

Eröffnung gesichert

Die Jobbörse nennt Henry Schober eine „super Idee“; von 20 Interessie­rten habe er Kontaktdat­en bekommen. Er hofft, dass die Aktion im nächsten Jahr wiederholt wird, jedoch einen Monat früher, um rechtzeiti­g gut aufgestell­t zu sein. Sorgen um die Eröffnung muss man sich laut Praterpräs­identin Silvia Lang nicht machen: „Nur einzelne Positionen sind noch nicht besetzt. Für den Saisonstar­t sieht es sehr gut aus.“

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Der Mangel an Arbeitskrä­ften macht auch vor den Attraktion­en im berühmten Wurstelpra­ter nicht halt
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Im Schweizerh­aus ist das Kellnergeh­alt hart erarbeitet. Dafür verdienen manche so viel wie ein Philharmon­iker
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Den QR-Code scannen und das Video auf Youtube ansehen

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