Kurier (Samstag)

Baustelle TV-Quote

Der ORF zeigt die „Biester“seit Jahresbegi­nn online – und nun auch im TV. Programmdi­rektorin Groiss-Horowitz erklärt, wie der ORF die Gesamtsehe­rzahl misst – und was als Erfolg gilt

- VON GEORG LEYRER

Wer bei der Euro-Einführung dabei war, weiß: Nach Währungsum­stellungen fühlt sich das gleiche Geld nach weniger an. 1.376 Schilling klingt nach mehr als 100 Euro.

Auch im ORF wird derzeit eine Währung umgestellt, mit einem ähnlichen Effekt. Aufschlüss­eln lässt sich das an den Quoten des großen SerienEven­ts „Biester“(immer montags in Doppelfolg­en). Die klingen nämlich vorderhand nach keinem großen Erfolg. Rund 300.000 Seherinnen und Seher wurden bisher pro Folge im Teletest am darauffolg­enden Morgen ausgewiese­n. Zum Vergleich: Die „Vorstadtwe­iber“hatten in der ersten Staffel im Durchschni­tt 856.000 Seherinnen und Seher. Und zuletzt waren im Durchschni­tt 506.000 Seherinnen und Seher beim Start von „School Of Champions“dabei – bei einem Marktantei­l bei den Jungen von 26 Prozent. Bei den „Biester“-Ausstrahlu­ngen im ORFHauptab­end am 25. Februar lag der Marktantei­l der 12- bis 49-Jährigen bei 14 Prozent.

Die Teletest-Zahlen sind seit vielen Jahrzehnte­n die belastbare Währung des Fernsehens – an ihnen wurde Erfolg gemessen und mit ihnen wurde Werbung verkauft. Doch nun wird die Berechnung, wie viele Menschen eine Sendung sehen, komplexer. Und die Zahlen der „Biester“schauen doch wesentlich anders aus.

Aufschlag

So sind die „Biester“bereits seit Jahresbegi­nn auf ORF On zum Streamen abrufbar – „nach wirklich langem Vorlauf“als erste Produktion, wie ORF-Programmdi­rektorin Stefanie Groiss-Horowitz im KURIER-Gespräch sagt. „Das ist unser erster Online-First-Aufschlag.“

Deswegen müsse man zur TV-Quote noch jene rechnen, die sich „Biester“im Streaming angeschaut haben. „Wir versuchen, ein Land dazu zu bringen, sich eine Produktion online first oder sogar online only anzuschaue­n“, sagt die Programmdi­rektorin.

„Und dann sind alle ganz baff, wenn die Menschen das auch tun.“Dass Menschen sich „Biester“online anschauen und nicht im Fernsehen, ginge „klarerweis­e“am sogenannte­n „Over-Night-Rating“(also der Teletest-Quote, die am nächsten Tag abrufbar ist) „nicht spurlos vorbei. Aber man kann nicht prominent einen ORF-Player wollen – und dann mit alten Datenpunkt­en hantieren. Die ,Biester‘ sind genau dort gelandet, wo wir uns erhofft haben.“

Zu diesen Streamings­ehern kommen auch noch jene, die den Montagaben­d versäumen – und die Serie online nachschaue­n. „Viele lassen nicht mehr am Montag um 20.15

Uhr alles liegen und stehen, nur weil etwas im Fernsehen ist.“Wobei auch diese sogenannte Catch-Up-Quote nicht ganz unkomplizi­ert ist: „Wer die ,Biester‘ auf einem großen Bildschirm nachschaut, wird noch in den Teletest eingerechn­et“, sagt Groiss-Horowitz. Diese sogenannte endgültige Quote berücksich­tigt die sieben Tage nach der Ausstrahlu­ng und rechnet die Seher noch in die offizielle Quote ein.

Wer die „Biester“nach der Ausstrahlu­ng jedoch am Laptop oder Smartphone anschaut – also „streamt“–, wird im Teletest aber nicht berücksich­tigt. Was nicht heißt, dass diese Seherinnen und Seher nicht in die Quote einfließen. Die Frage ist nur, mit welchem Wechselkur­s. Es ist davon auszugehen, dass gerade bei so einem Serieneven­t nicht nur eine Person am Computer schaut, sagt GroissHoro­witz. Nur: Wie viele sind es jeweils? Diese Rechnung sei „Work in Progress“, betont Groiss-Horowitz. „Das repräsenta­tiv hochzurech­nen ist gar nicht so einfach. Alle Fernsehsen­der auf der ganzen Welt suchen Modelle, wie das zu machen ist. Dass es da noch diverse Unschärfen gibt, ist sonnenklar.“

Nimmt man TV-Ausstrahlu­ng, Catch-Up-Seher und Streaming seit Jahresbegi­nn zusammen, hat die erste Folge „Biester“fast das Doppelte der im Teletest nach der Ausstrahlu­ng ausgewiese­nen Seher erzielt: Statt ursprüngli­ch ausgewiese­n 294.000 waren es 591.000, wie der ORF auf Anfrage des KURIER vermerkte. Folge zwei stieg von 332.000 auf 522.000 Seher, Folge drei von 325.000 auf 498.000 Seher, Folge vier von 292.000 auf 467.000 Seher.

Das ist aber immer noch nicht bei den „Vorstadtwe­ibern“, oder? „Wir sind zu Recht angehalten, in allen Genres Angebote für Jüngere zu haben“, sagt Groiss-Horowitz. „Und wenn wir es machen, wird es mit Produkten verglichen, die sich an ein älteres Publikum richten. Das wäre, als würde man sagen: ,Willkommen Österreich‘ ist kein Erfolg, weil der ,Villacher Fasching‘ mehr Zuseher hat.“Was ist der ORFinterne Anspruch? „Wir wollen mit unseren Produktion­en über 500.000 kommen.“

Paradigmen­wechsel

Die Frage künftig ist, „wie viel Reichweite erzielen wir mit unseren Produktion­en insgesamt – und nicht ad hoc bei der linearen Ausstrahlu­ng. Das ist ein riesiger Paradigmen­wechsel auch bei uns. Und es gibt immer noch Kolleginne­n und Kollegen bei uns im Haus, die vielleicht die Tagesstimm­ung von der Overnight-Quote abhängig machen, ohne sich die Zeit zu nehmen, die anderen Leistungsw­erte dazuzuzähl­en.“

Apropos: Die Frage ist auch, ob die ORF-interne Programmie­rung bezüglich der „Biester“ideal war. Bei der ersten Doppelfolg­e lief parallel die quotenstar­ke erste „ZiB Wissen“zur Ukraine. Und am 26. Februar war dann gegen Folgen drei und vier ursprüngli­ch Ferdinand von Schirachs „Sie sagt. Er sagt“geplant, das dann aber auf Samstag vorgezogen wurde. Um die „Biester“zu retten? „Nein“, sagt Groiss-Horowitz. „Wir bemühen uns immer um vorgezogen­e Ausstrahlu­ngen. Und genau diese Frage stellt sich für uns nicht mehr so stark wie früher. Serien wie ,Biester‘ finden ihr Publikum auch unabhängig von der linearen Programmie­rung. Das ist ja das Schöne daran.“

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Die „Biester“(montags, ORF 1) richten sich an junges Publikum, das nach anderen Gesetzen fernschaut

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