Wimmerndes Würschtel im Strampelhöschen
Die Sacher-Masoch-Novelle „Venus im Pelz“, dramatisiert im Nestroyhof Hamakom
Kritik. Leopold von SacherMasochs Novelle „Venus im Pelz“, 1870 geschrieben, fußt auf der Überlegung des Mannes, dass die Frau „nur seine Sklavin oder seine Despotin sein kann, nie aber seine Gefährtin“. Dies werde sie erst sein können, wenn sie ihm gleich steht an Rechten, wenn sie ihm ebenbürtig ist durch Bildung und Arbeit.
Wir sind zumindest auf dem Weg dahin. Aber wer sagt, dass es eine sadomasochistische Beziehung nur zwischen Mann und Frau geben kann? Die Gruppe diverCITYLAB macht in Kooperation mit dem Nestroyhof Hamakom die Probe aufs Exempel. Und Regisseurin Azelia Opak unterläuft mit ihrer knochentrockenen Inszenierung
im äußerst stimmigen Jugendstil-Ensemble alle Erwartungshaltungen. Severin imaginiert zwar eine Göttin im Pelz, der er sich ausliefern kann. Es erscheint aber die queere Diseuse Lucy McEvil – im Abendkleid. Ohne Pelz.
Nicht einmal „Venus in Furs“von Velvet Underground wird zitiert. Als Intro gibt es aber zumindest etwas Streichmusik (von Uwe Felchle), dargeboten von Marie Alma Mala Schmidt und Derya Satır. Jonas King als Severin fiebert derweilen, er sitzt am Tisch, zeichnet manisch Augen, er schmeißt die Blätter weg, wirft den Umhang, eine Decke, ab. Und dann beginnt der Dialog ...
Keine Sekunde lang bedient die schönbeinige Lucy McEvil, alles andere denn eine Sadistin, die Fantasien: Sie ist sanft, verständnisvoll, spricht emotionslos. Severin törnt das trotzdem an: Er breitet vor dem Tisch die Arme wie ein Gekreuzigter aus, rutscht auf den Knien vor ihr, entledigt sich seiner Hose und mutiert allmählich – der Slip erinnert an ein Strampelhöschen – zum unreifen Kind. Entgegen der Ankündigung werden die dunklen Abgründe der menschlichen Psyche nicht erforscht. Aber zumindest das Schlussbild – Lucy McEvil mit Maske und Peitsche – verdeutlicht, was möglich gewesen wäre.