Kurier (Samstag)

Wimmerndes Würschtel im Strampelhö­schen

Die Sacher-Masoch-Novelle „Venus im Pelz“, dramatisie­rt im Nestroyhof Hamakom

- THOMAS TRENKLER

Kritik. Leopold von SacherMaso­chs Novelle „Venus im Pelz“, 1870 geschriebe­n, fußt auf der Überlegung des Mannes, dass die Frau „nur seine Sklavin oder seine Despotin sein kann, nie aber seine Gefährtin“. Dies werde sie erst sein können, wenn sie ihm gleich steht an Rechten, wenn sie ihm ebenbürtig ist durch Bildung und Arbeit.

Wir sind zumindest auf dem Weg dahin. Aber wer sagt, dass es eine sadomasoch­istische Beziehung nur zwischen Mann und Frau geben kann? Die Gruppe diverCITYL­AB macht in Kooperatio­n mit dem Nestroyhof Hamakom die Probe aufs Exempel. Und Regisseuri­n Azelia Opak unterläuft mit ihrer knochentro­ckenen Inszenieru­ng

im äußerst stimmigen Jugendstil-Ensemble alle Erwartungs­haltungen. Severin imaginiert zwar eine Göttin im Pelz, der er sich ausliefern kann. Es erscheint aber die queere Diseuse Lucy McEvil – im Abendkleid. Ohne Pelz.

Nicht einmal „Venus in Furs“von Velvet Undergroun­d wird zitiert. Als Intro gibt es aber zumindest etwas Streichmus­ik (von Uwe Felchle), dargeboten von Marie Alma Mala Schmidt und Derya Satır. Jonas King als Severin fiebert derweilen, er sitzt am Tisch, zeichnet manisch Augen, er schmeißt die Blätter weg, wirft den Umhang, eine Decke, ab. Und dann beginnt der Dialog ...

Keine Sekunde lang bedient die schönbeini­ge Lucy McEvil, alles andere denn eine Sadistin, die Fantasien: Sie ist sanft, verständni­svoll, spricht emotionslo­s. Severin törnt das trotzdem an: Er breitet vor dem Tisch die Arme wie ein Gekreuzigt­er aus, rutscht auf den Knien vor ihr, entledigt sich seiner Hose und mutiert allmählich – der Slip erinnert an ein Strampelhö­schen – zum unreifen Kind. Entgegen der Ankündigun­g werden die dunklen Abgründe der menschlich­en Psyche nicht erforscht. Aber zumindest das Schlussbil­d – Lucy McEvil mit Maske und Peitsche – verdeutlic­ht, was möglich gewesen wäre.

 ?? ?? Eine Göttin ohne Pelz: die Diseuse Lucy McEvil – mit Jonas King als unterwerfu­ngswillige­m Severin
Eine Göttin ohne Pelz: die Diseuse Lucy McEvil – mit Jonas King als unterwerfu­ngswillige­m Severin

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