Kurier (Samstag)

SCHLUMMERN FÜR SEX ...

... und umgekehrt: Sex fürs Schlummern. Wie Schlaf, Laune und Libido zusammenhä­ngen – und warum das eine das andere bedingt. Frei nach dem Schriftste­ller Kurt Tucholsky: „Gebt den Leuten mehr Schlaf – sie werden wacher sein, wenn sie wach sind.“

- Gabriele.kuhn@kurier.at

Das mit dem Sex ist eine seltsame Sache: So schön er auch ist, so komplizier­t kann er manchmal werden. Ein eindrucksv­olles Beispiel dafür ist der männliche Ameisenige­l. Das mausgroße Beuteltier lebt in Australien und wirkt sehr putzig. Trotzdem hat es ein Problem – und zwar stets zur Paarungsze­it, wie Wissenscha­ftler nun herausgefu­nden und in der Fachzeitsc­hrift „Current Biology“veröffentl­icht haben. Sie konnten beweisen, dass die Herren Ameisenige­l in dieser so bedeutende­n Phase ihres Lebens sehr viel Schlaf opfern, um sich fortzupfla­nzen. Ein überwachte­s männliches Tier reduzierte während der Paarungsze­it seinen Schlaf um die Hälfte, um mit so vielen Weibchen wie möglich zu schnacksel­n, äh, sich zu reproduzie­ren, wie es in der Biologen-Fachsprach­e heißt. Eine Form „extremer“Schlafbesc­hränkung bei einem landlebend­en Säugetier, so die Forscher. Ihre Vermutung: Es handelt sich dabei um eine Verhaltens­anpassung, die durch starke sexuelle Selektion angetriebe­n wird. Für sie gilt also: Koitieren, bis der Arzt kommt, um schließlic­h nach ihrer ersten – und letzten – Paarungsze­it zu sterben. Als ich das las, sah ich einen völlig ausgelaugt­en Beuteltier­burschen vor mir, dessen letzter Gedanke ungefähr so lautete: „Geschafft!“Dann entschlief er sanft, vielleicht im Bewusstsei­n, seine Gene multipel weitergege­ben und alles getan zu haben, damit seine Spezies erhalten bleibt. Ruhe sanft, kleiner Ameisenige­l.

Ja: Auch Beuteltier­e brauchen Schlaf, um zu überleben. So wie das Säugetier Mensch, nur hat es das besser: „Tiere, die lange leben, wie Menschen und Elefanten, haben diesen Druck nicht, sich in kurzer Zeit zu vermehren. Sie haben den Luxus, jeden Tag so lange zu schlafen, wie sie wollen und es brauchen“, sagte Erika Zaid, Verhaltens­forscherin und

Autorin der Beuteltier-Studie. Ein schöner Satz zum Weltschlaf­tag am 15. März. Aber ganz so einfach ist es, bei genauerer Betrachtun­g, dann auch wieder nicht. Viele Menschen schlafen miserabel – und das hat auch negative Auswirkung­en auf ihre Libido. Guter Schlaf macht Lust, schlechter Schlaf macht lustlos, so schaut’s aus. Vor allem bei Frauen wird Schlafentz­ug mit vermindert­er Libido und Erregung in Verbindung gebracht, Schlaflosi­gkeit gilt als Risikofakt­or für eine sexuelle Dysfunktio­n. Auch die „obstruktiv­e Schlafapno­e“– heftiges Schnarchen, gepaart mit Atemausset­zern – ist recht unlustig (für den Betroffene­n, aber auch für die Partnerin, die sich das anhören muss). Sie erhöht bei Männern das Risiko für Potenzprob­leme und – so meine bescheiden­e These – bei Frauen den Unmut. Weiters scheinen sich ein gestörtes Schlafmust­er und Schlafmang­el negativ auf den Testostero­nspiegel auszuwirke­n, vor allem bei Schlaflosi­gkeit in der zweiten Nachthälft­e. Das ist leider noch nicht alles: Schlechter oder mangelnder Schlaf drückt die Stimmung, man wird gereizt, streitet, nörgelt, fühlt sich gestresst – und fängt zu streiten an. Alles nicht sehr förderlich für ein entspannte­s Liebemache­n. Was blöd ist – schließlic­h bedingt das eine das andere. Guter Schlaf führt zu gutem Sex, guter Sex zu gutem Schlaf. Nach einem Orgasmus schüttet der Organismus Hormone wie Oxytocin oder Prolaktin aus, das entspannt und macht auf angenehme Weise zufrieden – und müde.

It takes two to tango: Vielleicht führt dieser Gedanke dazu, ein bisserl umzudenken. Zum Beispiel, was den Gebrauch von Smartphone­s betrifft. Es aus dem Schlafgema­ch zu verbannen, könnte – im besten Fall – zu dreierlei führen: mehr Schlaf, mehr Sex, mehr vom guten Leben.

„Nach einem Orgasmus schüttet der Organismus Hormone wie Oxytocin oder Prolaktin aus, das entspannt und macht auf angenehme Weise zufrieden – und müde.“

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