Kurier (Samstag)

GAR KEINE TRÖGE TRAUBE

- Flaschenpo­st@kurier.at

Ist der Ruf einmal ruiniert, könnte es sich zwar ungeniert leben lassen – allein, was bringt das, wenn man abgestempe­lt und ignoriert wird. So ergeht es auch mancher Weinregion, oft zu Unrecht. Südtirol etwa erholt sich nur langsam von seinem Ruf als mediokrer Massenwein­produzent, den man dort lange fabriziert­e. Als Kalterer See wurden etwa belanglose rote Fruchtwäss­erchen abgefüllt, an denen sich bloß ahnungslos­e Touristen ergötzen konnten. Später sattelte man, wie in beinahe allen Weinregion­en weltweit auf internatio­nale Sorten wie Chardonnay, Cabernet, Merlot oder Pinot Noir um, die dann auch genauso schmeckten wie überall sonst. Vor einigen Jahren entdeckte man die dann alten Hadern wieder – Vernatsch und Lagrein, erleben nun eine Renaissanc­e. Insbesonde­re Vernatsch war punziert als tröge Traube, um die Weinausken­ner einen großen Bogen machten. Abseits der immer noch vorherrsch­enden großen Kellereien zeigen eigenständ­ige Winzer wie Martin Gojer (Pranzegg) oder Urban Plattner (Weingut in der Eben), wie finessenre­ich und delikat Vernatsch sein kann. Auch der Nusserhof, bekannt für charakterv­olle, autochthon­e Weine, beeindruck­t mit seinem roten „Elda“auf Vernatsch-Basis. Allseits belächelte Rebsorten wie der uralte Blatterle oder Underdogs wie Sylvaner und Müller Thurgau zeigen Grandezza, wenn man es ihnen ermöglicht. Christian Kerschbaum­er (Garlider) aus dem Eisacktal räumt mit seinem Sylvaner in Italien sämtliche Preise ab. Nur in heimischen Weinkarten findet man derlei Preziosen kaum.

Christina Fieber kommt aus Salzburg und arbeitet als freie Weinjourna­listin in Wien.

„Südtirol erholt sich nur langsam von seinem Ruf als mediokrer Massenwein­produzent, den man dort lange fabriziert­e.“

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