Indiens Traumfabrik in Österreich
In Zukunft könnten mehr der bunten Hindi-Filme in Wien, Innsbruck und Co gedreht werden. Warum die Regierung darum wirbt und was indische Filmschaffende nach Österreich bringen soll
Kräftige Farben, mitreißende Musik, komplizierte Tanzeinlagen, große Helden- und besonders kitschige Liebesgeschichten: Für all das ist Bollywood bekannt. Indiens Traumfabrik zählt nicht nur zu den dramatischsten, sondern mit ungefähr 1.200 Produktionen pro Jahr auch zu den größten Filmindustrien der Welt – das sind um einige mehr als in Hollywood. Das Budget fällt bei Bollywood-Filmen dafür in der Regel geringer aus.
Nichtsdestotrotz sehen immer mehr Länder Europas wirtschaftliches Potenzial in indischen Blockbustern und versuchen, als möglicher Drehort für solche attraktiver zu werden. Das soll neben Arbeitsplätzen und Einnahmen durch lokale Dienstleistungen wie Caterings, Unterkünfte oder Transfers auch mehr Nächtigungen bringen: Sehen indische Kinobesucher europäische Orte in ihren Lieblingsfilmen, würden sie diese auch eher bereisen, glaubt man.
Berge, Seen und Schlösser
Österreich ist besonders wegen seiner Berge, Seen und Schlösser für Filmschaffende aus aller Welt interessant – auch für indische. In Tirol wurden in den letzten zwei Jahrzehnten nicht ganz 100 indische Produktionen umgesetzt, mit bekannten Schauspielern wie Salman Khan oder Ajay Devgan. Da geht noch mehr, hofft die Regierung. Kürzlich f log Wirtschaftsminister Martin Kocher (ÖVP) deshalb nach Mumbai, Indiens Filmhauptstadt, um Österreich vor lokalen Regisseuren und Produzenten zu bewerben (der KURIER begleitete ihn auf Einladung, Anm.).
Eine der Anwesenden, mit denen er sich dabei austauschte: Anjali Bhushan. Die Regisseurin hätte eigentlich schon vor einigen Jahren gern einen Film in Österreich gedreht. In den 1990ern hat sie an dem Hit „Kuch Kuch Hota Hai – Und ganz plötzlich ist es Liebe“mit Mega-Bollywood-Star Shah Rukh Khan mitgewirkt. „Wir wollten in einem Winterland drehen und haben nach Schnee gesucht“, erinnert sich Bhushan. Indien habe zwar auch großartige Berge und sogar Schnee, aber man komme dort nur schwer hin – gerade mit Filmequipment im Gepäck. Ihr Team und sie hätten sich erst Länder wie Russland, Polen oder Serbien angesehen, bevor sie auf Österreich gestoßen seien.
„Österreich wäre für das Projekt perfekt gewesen. Aber die Hotels und Drehorte waren zu teuer. Hätten wir einen Hollywood-Film gedreht, einen James Bond zum Beispiel, wären die Preise schon in Ordnung gewesen. Wir konnten uns das nicht leisten“, so Bhushan. Am Ende drehte ihr Team den Streifen in Bulgarien: „Dort haben wir 25 Prozent unserer Kosten gefördert bekommen. Und über den Tourismusminister haben wir sehr leichten Zugang zu allen möglichen Orten bekommen – entweder gratis oder für ein paar Hundert Euro.“Österreich will es Filmschaffenden wie Bhushan in Zukunft ebenfalls leichter machen, ihre Projekte in Wien, Salzburg, Innsbruck, Hallstatt und Co umzusetzen. Als Anreiz soll die erst im vergangenen Jahr reformierte Filmförderung FISA+ dienen (siehe Faktenbox). Zudem will man die relevante Infrastruktur verbessern, am Hafen Wien entstehen derzeit zum Beispiel zwei Filmstudios.
Die internationale Kritik an der Bollywood-Industrie und daran, wie diese unter dem hindunationalistischen Premier Narendra Modi immer stärkeren politischen Druck erfährt und für politische Zwecke instrumentalisiert wird (siehe unten), wird bei Wirtschaftsmissionen wie jener von Kocher nicht thematisiert.
Laut Wirtschaftsministerium ist bei FISA+ aber klar geregelt, wer Förderwerber sein kann und welche Eigenschaften die geförderten Projekte aufweisen müssen: „So ist zum Beispiel eine Regierung oder eine politische Partei von der Förderung ausgeschlossen und es werden keine Werbefilme gefördert“, heißt es auf Nachfrage. Die Drehbücher seien Teil der Einreichung, würden auf bestimmte Kriterien geprüft und könnten weder gegen EU- noch österreichisches Recht verstoßen. Demnach dürften die Inhalte etwa nicht gegen Minderheiten aufstacheln, auch Schutzkonzepte zur Vermeidung von sexuellen Übergriffen am Set müssten vorgelegt werden.
Noch nicht ganz überzeugt
Regisseurin Bhushan war nach dem Treffen mit Kocher in Mumbai noch nicht sicher, ob sie bei einem erneut passenden Projekt mit der Filmförderung heute in Österreich drehen würde. „Wir müssen uns das mit den Geldern erst genauer ansehen. Wichtig ist auch, wer die Kreativen vor Ort wären, mit denen wir dann tatsächlich zusammenarbeiten würden“, sagt sie.
Und: „Ich war noch nie in Österreich, müsste erst einmal hinfahren.“Reizen würde sie es aber durchaus.