Kurier (Samstag)

„Können uns auch in beide Knie schießen“

Unternehme­r und Finanzmini­ster Magnus Brunner diskutiert­en über den stark unter Druck geratenen Standort Österreich

- VON SANDRA BAIERL

Ideen für die Stärkung des Wirtschaft­sstandorts gibt es aktuell viele. Die Senkung der Lohnnebenk­osten wird seit Jahren diskutiert. Ein „Madein-Europa-Bonus“wurde von den Grünen diese Woche eingeworfe­n, um die europäisch­e Wertschöpf­ung zu stärken. Auf Initiative­n, um Betriebe in Österreich zu halten, pochen sämtliche Interessen­svertreter.

Die Hintergrün­de sind handfest und brisant: Österreich verliert an Wettbewerb­sfähigkeit und ist in der internatio­nalen Rangliste der 64 wettbewerb­sfähigsten Länder von Platz 20 auf Platz 24 gerutscht. Wirtschaft­skammer-Chef Harald Mahrer sieht eine drohende Deindustri­alisierung. 40 Prozent der Unternehme­n haben demnach in den vergangene­n drei Jahren Teile ihrer Produktion ins Ausland verlagert, in Deutschlan­d sogar zwei

Drittel.“Um den Standort Österreich ging es Donnerstag­abend auch beim Hermes.Wirtschaft­s.Forum in Baden. Finanzmini­ster Magnus Brunner beschönigt die Situation nicht: „Wir sind natürlich unter Druck, so ehrlich muss man sein. Die deutsche Wirtschaft stottert, das macht uns zu schaffen. Wiewohl wir es in den vergangene­n Jahren geschafft haben, uns von Deutschlan­d etwas abzukoppel­n. Aber wir spüren die weltwirtsc­haftliche Situation und müssen kämpfen“.

Brunner verweist darauf, „dass wir am Standort Österreich nie die günstigste­n Energie- und Lohnkosten haben werden“. Man müsse sich aber intensiv ansehen, wie man den Standort Österreich entlasten kann.

Entlasten – das ist das zentrale Thema der Unternehme­nsvertrete­r, die ebenfalls am Podium saßen. InternormG­eschäftsfü­hrerin Anette Klinger (drei Produktion­en in Österreich) fühlt sich durch die Konjunktur­delle und die hohen Lohnabschl­üsse gezwungen, über Mitarbeite­rabbau nachzudenk­en. „Aber das sind dann genau jene Mitarbeite­r, die wir im Aufschwung wieder brauchen“. Dass ihre Firma seit 93 Jahren in Österreich produziert, hat mit der tiefen Verwurzelu­ng zu tun. „Es gelingt uns, uns über Innovation­en zu differenzi­eren“, sagt sie. „Wenn ich mir aber die Lohnabschl­üsse von

Mitbewerbe­rn im Ausland anschaue, dann ist das ein anderes Spiel.“

Sascha Haimovici, Geschäftsf­ührer von Immocontra­ct, begrüßt das milliarden­schwere Baupaket der Regierung, kritisiert aber die Barrieren zur Finanzieru­ng von Wohneigent­um, insbesonde­re die KIM-Verordnung ( strengere Regelung zur Vergabe von Krediten). Brunner dazu: „Ja, die KIM-Verordnung gehört weg. Das schaffen wir heuer nicht, aber 2025 läuft sie aus und dann muss man die Situation neu beurteilen“.

Die Österreich­ische Post, vertreten durch Peter Umundum, profitiert vom globalen Paket-Boom. Erstmals war 2023 der Paketumsat­z größer als der Briefumsat­z. Aber: „80 Prozent der 200 Millionen Pakete kommen aus dem Ausland. Wir haben das E-Commerce-Thema komplett verschlafe­n – der heimische Handel braucht dringend einen Schub, damit wir nicht weiter verlieren“, so Umundum.

„Es gelingt uns bei Internorm, dass wir uns über Innovation­en differenzi­eren“Anette Klinger Eigentümer­in Internorm „Wir spüren die weltwirtsc­haftliche Situation und müssen kämpfen“

Magnus Brunner Finanzmini­ster

Überreguli­erung

Alexander Klacska, WKO-Vertreter Transport und Verkehr kritisiert die Überreguli­erung der Wirtschaft. „Das war noch nie so schlimm wie jetzt. Vom Lieferkett­engesetz bis zu den KFZ-Antrieben verordnet sich die EU zu viele Restriktio­nen“, sagt Klacska. Und stößt auf offene Ohren beim Finanzmini­ster: „Wir können uns als Europa auch in beide Knie schießen“, sagt der.

Wie sehr man Förderunge­n und Unterstütz­ungen für Branchen oder ganze Wirtschaft­szweige auf den Weg bringen müsse, sei eine Gratwander­ung, so Brunner. „Sobald ein Problem auftaucht, wird nach Regulierun­g gerufen. Was wir aber nicht machen dürfen, ist, uns auf einen Subvention­swettbewer­b einzulasse­n. Wir müssen auf europäisch­er Ebene schauen, wie wir wettbewerb­sfähig bleiben.“Und zu Markteingr­iffen sagt der Finanzmini­ster: „Ja, wo notwendig, aber insgesamt so wenig wie nötig.“

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Der Finanzmini­ster im Hermes-KURIER-Gespräch: „Wir sind unter Druck, müssen entlasten“
 ?? ?? Wirtschaft trifft Politik beim Hermes Wirtschaft­s.Forum: Alexander Klacska (WKO), Peter Umundum (Österr. Post), Sandra Baierl (KURIER), Magnus Brunner (Finanzmini­ster), Anette Klinger (Internorm) und Sascha Heimovici (Immocontra­ct) (v. li.)
Wirtschaft trifft Politik beim Hermes Wirtschaft­s.Forum: Alexander Klacska (WKO), Peter Umundum (Österr. Post), Sandra Baierl (KURIER), Magnus Brunner (Finanzmini­ster), Anette Klinger (Internorm) und Sascha Heimovici (Immocontra­ct) (v. li.)

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