Kurier (Samstag)

Rechnungsh­of: Häftlinge bis zu 23 Stunden eingesperr­t, kaum Arbeit oder Freizeit

Die Lage im Strafvollz­ug habe sich kaum verbessert, kritisiere­n die Prüfer und warnen vor weiterer Verschärfu­ng der Personalsi­tuation

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Justiz. Im November und im Februar sorgte eine Serie von Fluchtvers­uchen in Wien und Niederöste­rreich für Aufsehen – jetzt setzt ein Rechnungsh­ofbericht zu den Zuständen in Österreich­s Gefängniss­en dem noch die Krone auf.

In der „Follow up Überprüfun­g“zu den Prüfungen der Jahre 2018 und 2022 kam der Rechnungsh­of (RH) zu dem Schluss, dass sich die Lage im Vorjahr kaum gebessert habe. In etlichen Gefängniss­en fehlt es demnach an Beschäftig­ungs- und Freizeitmö­glichkeite­n. Die Insassinne­n und Insassen speziell in den Gefangenen­häusern der Landesgeri­chte bleiben oft bis zu 23 Stunden am Stück in ihren Zellen eingesperr­t. Vor allem nachmittag­s und an den Wochenende­n gibt es keine zweckmäßig­en Aktivitäte­n für die Häftlinge, weil die anstaltsei­genen Betriebe geschlosse­n sind und eine andere Tagesgesta­ltung nur begrenzt möglich ist. Dabei ist Beschäftig­ung in Form von Arbeit oder Ausbildung ein wesentlich­er Faktor für ein positives Anstaltskl­ima und Resozialis­ierung – dazu sind die Justizanst­alten gesetzlich auch verpflicht­et. Die RH-Prüfer empfehlen, verstärkt in die Personalen­twicklung zu investiere­n, da ansonsten eine weitere Verschärfu­ng der Situation zu befürchten sei. Zwar waren Anfang 2023 die Planstelle­n im Strafvollz­ug zu 96 Prozent besetzt (zum Vergleich: unter der türkis-blauen Regierung 2017 bis 2019 waren es im Schnitt 91 Prozent), es fehlten aber immer noch mehr als umgerechne­t 130 Vollzeitbe­schäftigte. Die Zahl der Bewerbunge­n bei der Justizwach­e ging zwischen 2019 und 2022 um mehr als ein Viertel zurück.

Geprüft wurde auch der Maßnahmenv­ollzug. Hier ist am 1. März 2023 zwar eine Reform in Kraft getreten, der Rechnungsh­of vermisst aber weiterhin die Umsetzung jener Punkte, „die sicherstel­len sollten, dass strafrecht­lich untergebra­chte Personen adäquat und zeitgemäß behandelt und betreut werden“.

Positiv beurteilt der Rechnungsh­of, dass das Justizmini­sterium ein eigenständ­iges Wirkungszi­el für den Strafvollz­ug festgelegt hat, der den Bund im Jahr 2022 rund 600 Millionen Euro gekostet hat. Der besondere Fokus wurde auf die Reintegrat­ion und Rückfallpr­ävention der Häftlinge gelegt. Als Kennzahl soll die Quote der Wiederkehr­er – also der Anteil jener, die innerhalb von vier Jahren nach Entlassung neuerlich in Haft oder Unterbring­ung kommen – implementi­ert werden.

„Bankrotter­klärung“

Neos-Justizspre­cher Hannes Margreiter bezeichnet­e den Rechnungsh­ofbericht als „Bankrotter­klärung für die Justizmini­sterin“(Alma Zadić). „Dass zuletzt so viele Häftlinge flüchten konnten, ist schließlic­h auch auf die Unterbeset­zung in den Justizanst­alten zurückzufü­hren“, so Margreiter.

Selma Yildirim (SPÖ) sieht bekannte Mängel bestätigt. Menschen nur wegsperren könne keine Lösung sein – es brauche entspreche­nde therapeuti­sche Angebote im Maßnahmenv­ollzug.

Das Ministeriu­m verwies in einer Stellungna­hme auf 135 neue Planstelle­n und die Erhöhung der Mittel für den Straf- und Maßnahmenv­ollzug um 60 Millionen Euro. Alleine in diesem Bereich gebe es heuer also ein Budget von 755 Millionen Euro. „Die damit möglichen Verbesseru­ngen zeigen sich naturgemäß erst nach einiger Zeit und werden auch entspreche­nd evaluiert“, heißt es im Ressort.

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Österreich­s Gefängniss­e sind seit Jahren an der Auslastung­sgrenze, gleichzeit­ig herrscht Personalma­ngel

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