Kurier (Samstag)

Zu Papst-Äußerungen bezüglich Frieden in der Ukraine

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„‚Ich denke, dass der Stärkste derjenige ist, der die Situation betrachtet, an die Menschen denkt und den Mut zur weißen Fahne hat und verhandelt‘, sagte Papst Franziskus. Genauso gut hätte dies Kreml-Sprecher Peskow sagen können. Russland erklärt seit Langem, dass es zu Verhandlun­gen bereit ist – die Ukraine müsse nur 20 Prozent ihres Territoriu­ms abtreten und ihre Souveränit­ät aufgeben. Dann könnten wir wieder billiges Öl und Gas kaufen. So lange, bis Russland sein Militär wieder aufrüstet und befindet, dass seine Sicherheit von einem anderen Land bedroht wird – vielleicht Moldawien, Estland oder Polen. Die Appelle sind völlig aus diesem Kontext gelöst. Betrachtet man sie außerhalb davon, wären sie verständli­ch – ein Kirchenobe­rhaupt kann kaum Befürworte­r eines Krieges sein. Aber Frieden ist nicht gleich Frieden. Der, zu dem der Papst aufruft, wäre kein Frieden, sondern ein Waffenstil­lstand vor dem nächsten Krieg. Die Lehre der katholisch­en Kirche besagt, dass der Papst in Glaubensan­gelegenhei­ten unfehlbar ist. Sie sagt aber nichts über die Unfehlbark­eit in geopolitis­chen Fragen. Und in dieser Frage liegt Franziskus einfach falsch.“Rzeczpospo­lita

Warschau

„Die Ukraine und ihre Verbündete­n protestier­en unter Berufung auf den Widerstand gegen Hitler. Russland applaudier­t, indem es in den Worten des Papstes eine Warnung an den Westen liest. Seit Kriegsbegi­nn hat sich Franziskus stets für eine Verhandlun­gslösung als einzig gangbare Alternativ­e zur Fortsetzun­g eines Kriegs ausgesproc­hen. (...) Er beauftragt­e Kardinal Matteo Zuppi mit der Vermittlun­g von Kontakten und humanitäre­n Lösungen, doch die Ergebnisse sind bisher gering. Im Laufe der Zeit haben seine Äußerungen die Ukraine jedoch mehrfach irritiert – beispielsw­eise, als er sagte, dass die NATO vor Russlands Haustür ‚bellt‘. Zugleich versäumte es der argentinis­che Papst, der als erster in der Geschichte mit dem russischen Patriarche­n zusammentr­af, aber auch nicht, Kyrill zurechtzuw­eisen, indem er sich gegen jeden Versuch wandte, einen ‚gerechten‘ oder ‚heiligen‘ Krieg zu rechtferti­gen.“

La Repubblica

Rom

„Es ist klar, dass dieser geistliche Rat in einem Land, das vor zwei Jahren überfallen wurde und Tausende von Soldaten und Zivilisten bei dem Versuch verloren hat, den Aggressor zurückzusc­hlagen, nicht willkommen war. Wo blieb die Verurteilu­ng des Aggressors? Darüber hinaus: An Mut hat es den Ukrainern nicht gefehlt. Aber spricht der Papst vielleicht nur aus, was viele weltliche Führungskr­äfte in Europa, Amerika und anderswo denken: dass die Ukraine nicht gewinnen kann und versuchen sollte, weiteres Blutvergie­ßen zu vermeiden?“

Telegraph London

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