Immer mehr Masernfälle: „Die derzeitige Situation ist brandgefährlich“
Heuer bereits 293 Erkrankungen bestätigt. In welchen Fällen Erwachsene Impfungen nachholen sollen
Ausbrüche. Seit Jahresbeginn sind in Österreich bereits 293 Masernerkrankungen bestätigt – so der Stand von Freitag. Im ganzen Jahr 2023 wurden „nur“186 Masernfälle im epidemiologischen Meldesystem (EMS) erfasst.
Knapp 20 Prozent mussten wegen der Schwere des Verlaufs im Spital behandelt werden, darunter vier Personen auf einer Intensivstation. „Die derzeitige Entwicklung ist brandgefährlich und eine Schande für Österreich“, sagt der Infektiologe Herwig Kollaritsch. Im Vorjahr gab es in Europa nur in Rumänien noch mehr Masernfälle.
Die Masern zählen zu den ansteckendsten Infektionen: Laut Robert-Koch-Institut (RK) steckt eine Person mit Masern in einer ungeschützten Bevölkerungsgruppe bis zu 18 weitere Personen an. 15.500 Kinder haben 2022 gar keine Impfung gegen Masern erhalten – zwei Schutzimpfungen sind ab dem vollendeten neunten Lebensmonat aber empfohlen. Bei einer Infektion kommt es bei einer bzw. einem von fünf Erkrankten zu einem schweren Krankheitsverlauf mit Komplikationen wie schwerer Bronchitis, Mittelohr- oder Lungenentzündung. Bei etwa einem von 1.000 Erkrankten tritt eine lebensbedrohliche Gehirnentzündung auf. „Und das Masernvirus hat eine Eigenschaft, die es besonders problematisch macht“, sagt Kollaritsch. „Es zerstört Gedächtniszellen des Immunsystems, die dieses nach Impfungen und Infektionen mit anderen Erregern als Schutz gebildet hat. Neben den Risiken der Masernerkrankung geht also auch die Immunität gegen andere Erkrankungen verloren.“Fazit: „Eine englische Studie hat gezeigt, dass Kinder nach einer Maserninfektion über einen Zeitraum von drei Jahren eine erhöhte Sterblichkeit aufweisen – im Vergleich zu Kindern ohne Maserninfektion.“
Nur zwei Impfungen bieten einen ausreichend hohen Schutz (98 bis 99 Prozent) vor einer Ansteckung. Nach nur einer Impfung sind rund acht Prozent der Geimpften nicht immun. Erst wenn rund 95 Prozent der Bevölkerung geimpft sind, werden Infektionsketten durchbrochen und sind auch Personen geschützt, die (noch) nicht geimpft werden können – wie etwa Säuglinge .
Impfen bei Erwachsenen
Untersuchungen auf Antikörper haben gezeigt, dass bei mehr als 95 Prozent der Menschen, die vor 1970 geboren wurden, eine Immunität gegen Masern angenommen werden kann – aufgrund einer durchgemachten Erkrankung. „Erst ab dem Beginn der 70er-Jahre wurde die Bevölkerung nach und nach mit dem wirksamen Lebendimpfstoff durchgeimpft, davor haben sich fast alle mit dem Wildvirus infiziert“, klärt Kollaritsch.
Für vor 1970 Geborene sehe er deshalb im Allgemeinen keine Notwendigkeit einer Impfung oder einer Bestimmung der Antikörpermenge (Titer). „Ausnahmen betreffen etwa Personen im Gesundheitssystem.“Ab 1970 Geborene sollten zwei Impfungen dann nachholen, wenn sie „weder eine dokumentierte Masernerkrankung hatten, noch zwei Impfungen im Impfpass eingetragen sind“. Alternativ ist vorab auch eine Bestimmung des Antikörperstatus möglich. Denn Masern sind keine reine Kinderkrankheit: Mehr als 50 Prozent der Fälle betreffen Menschen, die älter als 15 Jahre sind, so das RKI. er