Mehr Schlupflöcher statt weniger Müll
In endlosen Verhandlungen sind die neuen EU-Regeln für Verpackungen von Ausnahmen durchlöchert worden. Ändern wird sich wenig
Weniger Plastikmüll: Das ist ein Ziel, auf das sich angesichts wachsender Müllberge so gut wie alle einigen können. Ein Ziel, das die neue EUVerordnung für Verpackungen überraschend leicht erreicht – wenn auch nur auf dem Papier. Denn dort, im Paragrafengewirr dieses Gesetzes ist Plastik auf einmal kein Plastik mehr, wenn es mindestens fünf (!) Prozent eines anderen Materials – etwa Papier – enthält.
Ein bürokratischer Kunstgriff wie so viele, die das neue Gesetz enthält, das jetzt in Brüssel von der Mehrheit der 27 Mitgliedsstaaten abgesegnet wurde. Weniger EinwegVerpackungen, mehr Recycling und mehr Pfandsysteme mit wiederverwendbaren Flaschen und Dosen: Das waren Ziele, die sich die EU-Kommission vor mehr als einem Jahr mit ihrem Entwurf gesetzt hat.
Der Form halber stehen diese Ziel auch im jetzt ausverhandelten Gesetz, doch sie sind durchlöchert von Ausnahmen. So sollen Gemüse und Obst im Supermarkt ohne Plastikverpackung angeboten werden – vor allem nicht aus zwei Sorten Plastik, die dafür sorgen, dass man die ganze Verpackung nur noch verbrennen kann. Doch die Gründe, warum man das Gemüse weiter in Plastik packen darf, sind vielfältig. Zu viel Feuchtigkeit, zu viel Sauerstoff, zu viele Bakterien: Schon ist das Plastikverbot aufgehoben.
Lange Übergangsfristen
Verschwinden werden zumindest die umstrittenen Einwegverpackungen von Marmelade oder Honig in Hotels – allerdings auch erst 2030. Und das ist eine der kürzesten Übergangsfristen, die in dem Gesetz stehen. Einweg-Plastikflaschen für Getränke müssen erst ab 2040 mehrheitlich aus recyceltem Material bestehen.
Plastiksackerl sind zwar in Österreich inzwischen weitgehend aus den Supermärkten verschwunden, die EU-Gesetzgeber aber haben auch für deren Verwendung unzählige Ausnahmen gebastelt. Immerhin 40 Stück sollen dem EUBürger pro Jahr weiter erlaubt sein. Auch beim Obststand darf man weiter zum Sackerl greifen, wenn man hygienische Gründe ins Spiel bringt.
Und wo das Plastik weniger wird, werden die Kartonverpackungen mehr. Die sind nämlich in dem neuen Gesetz so gut wie ohne Beschränkungen davongekommen. Das gilt etwa für Bier, oder Obst: Das steckt in Zukunft noch häufiger in Kartonverpackungen.
Auch für den Transport, etwa per Lkw, darf unbeschränkt Karton eingesetzt werden.
Das Milchpackerl bleibt
Zumindest für Bierflaschen wird man in ein paar Jahren überall in Europa Pfand bezahlen müssen; die meisten anderen Getränke dagegen dürfen weiter in Einweg-Verpackungen konsumiert werden. Egal, ob Fruchtsaft oder Milch, das Packerl bleibt und auch die Plastikflasche. Solange ein Land für diese Verpackungen ausreichend Recycling anbietet, darf es auf Pfandsysteme und damit auf die umweltfreundlichste Verpackungsart verzichten. Und damit man sich mit dem Recycling nicht zu schwer tut, darf es außerhalb von Europa stattfinden. Plastikflaschen werden weiterhin nach Afrika oder Asien verschifft, um dort – angeblich nach europäischen Normen – verarbeitet zu werden. Selbst die Verhandler lässt diese Verpackungs-Verordnung ernüchtert zurück. Viel, gesteht einer von ihnen im Gespräch mit dem KURIER ein, „wird sich in der Praxis nicht ändern“.