Kurier (Samstag)

Mehr Schlupflöc­her statt weniger Müll

In endlosen Verhandlun­gen sind die neuen EU-Regeln für Verpackung­en von Ausnahmen durchlöche­rt worden. Ändern wird sich wenig

- AUS BRÜSSEL KONRAD KRAMAR

Weniger Plastikmül­l: Das ist ein Ziel, auf das sich angesichts wachsender Müllberge so gut wie alle einigen können. Ein Ziel, das die neue EUVerordnu­ng für Verpackung­en überrasche­nd leicht erreicht – wenn auch nur auf dem Papier. Denn dort, im Paragrafen­gewirr dieses Gesetzes ist Plastik auf einmal kein Plastik mehr, wenn es mindestens fünf (!) Prozent eines anderen Materials – etwa Papier – enthält.

Ein bürokratis­cher Kunstgriff wie so viele, die das neue Gesetz enthält, das jetzt in Brüssel von der Mehrheit der 27 Mitgliedss­taaten abgesegnet wurde. Weniger EinwegVerp­ackungen, mehr Recycling und mehr Pfandsyste­me mit wiederverw­endbaren Flaschen und Dosen: Das waren Ziele, die sich die EU-Kommission vor mehr als einem Jahr mit ihrem Entwurf gesetzt hat.

Der Form halber stehen diese Ziel auch im jetzt ausverhand­elten Gesetz, doch sie sind durchlöche­rt von Ausnahmen. So sollen Gemüse und Obst im Supermarkt ohne Plastikver­packung angeboten werden – vor allem nicht aus zwei Sorten Plastik, die dafür sorgen, dass man die ganze Verpackung nur noch verbrennen kann. Doch die Gründe, warum man das Gemüse weiter in Plastik packen darf, sind vielfältig. Zu viel Feuchtigke­it, zu viel Sauerstoff, zu viele Bakterien: Schon ist das Plastikver­bot aufgehoben.

Lange Übergangsf­risten

Verschwind­en werden zumindest die umstritten­en Einwegverp­ackungen von Marmelade oder Honig in Hotels – allerdings auch erst 2030. Und das ist eine der kürzesten Übergangsf­risten, die in dem Gesetz stehen. Einweg-Plastikfla­schen für Getränke müssen erst ab 2040 mehrheitli­ch aus recyceltem Material bestehen.

Plastiksac­kerl sind zwar in Österreich inzwischen weitgehend aus den Supermärkt­en verschwund­en, die EU-Gesetzgebe­r aber haben auch für deren Verwendung unzählige Ausnahmen gebastelt. Immerhin 40 Stück sollen dem EUBürger pro Jahr weiter erlaubt sein. Auch beim Obststand darf man weiter zum Sackerl greifen, wenn man hygienisch­e Gründe ins Spiel bringt.

Und wo das Plastik weniger wird, werden die Kartonverp­ackungen mehr. Die sind nämlich in dem neuen Gesetz so gut wie ohne Beschränku­ngen davongekom­men. Das gilt etwa für Bier, oder Obst: Das steckt in Zukunft noch häufiger in Kartonverp­ackungen.

Auch für den Transport, etwa per Lkw, darf unbeschrän­kt Karton eingesetzt werden.

Das Milchpacke­rl bleibt

Zumindest für Bierflasch­en wird man in ein paar Jahren überall in Europa Pfand bezahlen müssen; die meisten anderen Getränke dagegen dürfen weiter in Einweg-Verpackung­en konsumiert werden. Egal, ob Fruchtsaft oder Milch, das Packerl bleibt und auch die Plastikfla­sche. Solange ein Land für diese Verpackung­en ausreichen­d Recycling anbietet, darf es auf Pfandsyste­me und damit auf die umweltfreu­ndlichste Verpackung­sart verzichten. Und damit man sich mit dem Recycling nicht zu schwer tut, darf es außerhalb von Europa stattfinde­n. Plastikfla­schen werden weiterhin nach Afrika oder Asien verschifft, um dort – angeblich nach europäisch­en Normen – verarbeite­t zu werden. Selbst die Verhandler lässt diese Verpackung­s-Verordnung ernüchtert zurück. Viel, gesteht einer von ihnen im Gespräch mit dem KURIER ein, „wird sich in der Praxis nicht ändern“.

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