Kurier (Samstag)

Bei der Borealis stimmt die Chemie nicht mehr: Chef geht

Der Vertrag von Thomas Gangl wird einvernehm­lich beendet

- VON K. MÖCHEL, M. MEYRATH UND D. SCHREIBER

Beim österreich­ischen Chemie- und Kunststoff­konzern Borealis AG kommt es zu einem Führungswe­chsel: Borealis und ihr Vorstandsc­hef Thomas Gangl gehen künftig getrennte Wege. Der Vertrag soll einvernehm­lich aufgelöst worden sein. Gangl wird mit Ende Juni den Konzern verlassen. Er hätte grundsätzl­ich einen Vertrag bis Mitte 2025 gehabt. Der Posten soll relativ schnell nachbesetz­t werden.

„Thomas Gangl ist eine Vorstandsp­ersönlichk­eit mit einem breiten Erfahrungs­schatz bei der OMV, zuletzt als CEO der Borealis. Ich danke ihm für seine wertvollen Beiträge, die er in den vergangene­n zwei Jahrzehnte­n für die OMV-Gruppe geleistet hat“, sagt Daniela Vlad, Mitglied des OMV-Vorstands und Vorsitzend­e des Borealis-Aufsichtsr­ats.

Hinter den Kulissen wurde an Gangl Kritik geübt, weil sich die Borealis wirtschaft­lich nicht so gut entwickelt hat wie erwartet. Im vergangene­n Jahr ist Gangl in einer Hauptversa­mmlung nicht entlastet worden, weil es Kritik an der Führung des Unternehme­ns gegeben hat. Bei zwei großen Projekten (Bauprojekt in Belgien, JointVentu­re mit Total) musste wirtschaft­lich nachgebess­ert werden. Die Entlastung wurde erst in einer außerorden­tlichen HV nachgeholt.

Kein Geheimnis ist, dass die Chemie zwischen Gangl und OMV-Chef Alfred Stern nicht gestimmt hat. Dazu muss man wissen, dass Borealis zu 75 Prozent der OMV gehört, die restlichen 25 Prozent hält der staatliche Ölkonzern Abu Dhabi National Oil Company (Adnoc).

Gangl, der seine Karriere 1998 bei der OMV begann, war erst im April 2021 zum Borealis-Chef ernannt worden. Er „steuerte die Verlängeru­ng der Joint-VentureVer­einbarunge­n von Borealis mit Borouge“und „den erfolgreic­hen Börsengang von Borouge“an der Börse von Abu Dhabi, heißt es in einer Borealis-Aussendung. In seine Zeit fällt auch die endgültige Investitio­nsentschei­dung für die Borouge-4-Anlage in Ruwais. Diese soll den Standort in Abu Dhabi ab 2025 zum größten Polyolefin-Komplex der Welt machen.

Borouge-Deal

Vergangene­s Jahr wurde bekannt, dass OMV und Adnoc über eine Fusion der Chemietöch­ter Borealis und Borouge verhandeln. Dadurch würde ein Konzern mit einem Jahresumsa­tz von mehr als 20 Milliarden Dollar und einem Börsenwert von etwa 30 Milliarden Dollar entstehen. Ein solcher Konzern hätte deutliche Vorteile im globalen Wettbewerb, etwa weil er über die

Patente der Borealis und den Zugang zu günstigen Rohstoffen der Borouge verfügen würde. Geographis­ch würden sich die Unternehme­n mit ihren Schwerpunk­ten in Europa und Asien ebenfalls gut ergänzen.

Spießen dürfte es sich vor allem daran, wer in dem Konzern das Sagen hat. An der Börse ist Borouge etwa doppelt so viel wert wie Borealis, in Wien will man die Kontrolle aber nicht verlieren. Die OMV will eine „Partnersch­aft auf Augenhöhe“, mit gleich großen Beteiligun­gen und einem börsennoti­erten Rest. Das könnte erreicht werden, indem die OMV zusätzlich­es Kapital in den Konzern einbringt.

Offen wären aber noch immer die Fragen, wo der Firmensitz ist und an welcher Börse das Unternehme­n gelistet ist. Die Rochade an der Spitze von Borealis könnte ein Hinweis darauf sein, dass die Fusion bevorsteht.

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Jahr 2020 vier Milliarden Euro wert
Der OMV war die Aufstockun­g ihrer Anteile auf 75 Prozent an der Borealis im Jahr 2020 vier Milliarden Euro wert

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