Kurier (Samstag)

Was wir in Zukunft (nicht) essen werden

Die Produzente­n von Fleisch aus Zellkultur­en hoffen mittelfris­tig auf Umsätze in Milliarden­höhe. Die Bauern hingegen fürchten um ihre ökonomisch­e Existenz

- VON ANDREAS ANZENBERGE­R

Der Ökoteufel erscheint in vielerlei Gestalt. Etwa als Besitzer eines SUV oder als Fleischess­er. Doch Rettung naht. Fleisch, das im Labor aus Zellkultur­en hergestell­t wird, soll in Zukunft eine ökologisch­e und tierfreund­liche Alternativ­e sein. Allerdings sind beim Laborfleis­ch noch viele wichtige Fragen ungeklärt.

Ein brisantes Thema ist es allemal. Eine Umfrage im Auftrag des Thinktanks „Good Food Institute Europe“hat diese Woche vor allem bei den Landwirten für Aufregung gesorgt. 63 Prozent haben sich in Österreich für die Zulassung von Laborfleis­ch ausgesproc­hen. Allerdings nur unter der Voraussetz­ung, dass keine gesundheit­lichen Gefahren drohen.

Angebot und Nachfrage

Das bedeutet nicht, dass eine Mehrheit der Österreich­er Laborfleis­ch kaufen oder essen würde. Es heißt lediglich, dass sie kein Problem damit haben, wenn es im Lebensmitt­elhandel oder in der Gastronomi­e angeboten wird.

Doch so schnell wird es nichts werden mit dem Laborfleis­ch auf den Tellern der Österreich­er. Die EU ist nach wie vor eine laborfleis­chfreie Zone. Daran wird sich auch so schnell nichts ändern. Österreich, Frankreich und Italien sind strikt gegen eine Zulassung in der EU. Landwirtsc­haftsminis­ter Norbert Totschnig warnt bei der Nahrungsmi­ttelproduk­tion vor einer „blinden Abhängigke­it von internatio­nalen Großkonzer­nen“. Den Bauern drohen massive Einkommens­verluste, wenn der Konsum von Tierfleisc­h sinkt. Er fordert eine breite Diskussion sowie Transparen­z.

In den USA ist man bei der Nahrungsmi­ttelproduk­tion weniger streng als in Europa. Die beiden US-Startups „Upside Foods“und

„Good Meat“haben im Vorjahr von den amerikanis­chen Behörden die Erlaubnis erhalten, aus Zellkultur­en gezüchtete­s Laborfleis­ch zu verkaufen. „Good Meat“hat bereits 2020 in Singapur mit der Produktion begonnen. Nun könne man „die größte Volkswirts­chaft der Welt beliefern“, freut sich „Good Meat“Chef Josh Tetrick.

Wenig Freude haben die Hersteller von Laborfleis­ch mit der Debatte über mögliche Gesundheit­srisiken, die sich aus der Herstellun­gsmethode ergeben. Einer Kuh wird Muskelgewe­be entnommen. Daraus werden Stammzelle­n gewonnen, die in einer Nährlösung heranwachs­en. Das dafür nötige Wachstumss­erum stammt aus dem Blut lebender Föten. Das Muttertier wird geschlacht­et, der Fötus stirbt bei der Entnahme. Es gibt derzeit Versuche, ob man das Kälberblut durch Algen ersetzen kann. Die Muskelfase­rn wachsen im Bioreaktor und werden zu einer Fleischmas­se verarbeite­t, die etwa für Burger verwendet werden kann.

Die konvention­ellen Fleischpro­duzenten berufen sich auf die Weltgesund­heitsorgan­isation WHO und auf eine lange Liste von potenziell­en Gefahren. Dazu gehören mikrobiolo­gische Verunreini­gungen oder auf eine potenziell krebserreg­ende Wirkung von Molekülen, die für die Zellvermeh­rung benötigt werden.

Zu wenig Daten

Laut der deutschen Verbrauche­rzentrale „gibt es keine validen Daten zum Gesundheit­swert von In-vitroFleis­ch“. Es müssten daher vor einer möglichen Zulassung in der EU eine genaue Prüfung durch Studien erfolgen „und zwar unabhängig von Hersteller­studien“.

Ebenso unklar ist die Ökobilanz von Laborfleis­ch. Es gibt Studien, die von einer deutlichen Reduktion der Treibhausg­ase ausgehen. Neuere Untersuchu­ngen kommen allerdings zu einem anderen Ergebnis. Ein abschließe­ndes Urteil ist derzeit nicht möglich.

Außerdem ist offen, ob Laborfleis­ch zum selben Preis oder vielleicht sogar noch billiger als konvention­elles Fleisch produziert werden kann. Davon wird der Erfolg in erster Linie abhängen. Der erste Burger mit Laborfleis­ch wurde bereits 2013 in London zubereitet. In das Projekt wurden 250.000 Dollar investiert. Heute ist es das Ziel der Produzente­n die Preisparit­ät mit einem Premium-Huhn im Restaurant zu erreichen.

Entscheide­nd für den Erfolg ist auch, ob Laborfleis­ch beim Geschmack mit dem

Fleisch von Tieren mithalten kann. In Singapur gibt es ein Nobel-Restaurant, das schon seit drei Jahren Laborfleis­ch anbietet. Die Testesser waren laut dem deutschen Nachrichte­nmagazin Der Spiegel nicht wirklich beeindruck­t: „Da ist noch Luft nach oben.“

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Fleischpro­duktion ohne Tiere ist möglich. Ob diese Methode erfolgreic­h sein wird, ist offen

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