Kurier (Samstag)

Russlands Schattenfl­otte von Öltankern fährt effektiv ohne Versicheru­ngen

Im Falle einer Ölpest nach einer Havarie würden die betroffene­n Staaten neben den Umweltschä­den auch auf den Kosten sitzen bleiben

- VON MARTIN MEYRATH

Als Reaktion auf die westlichen Sanktionen gegen russische Ölexporte hat Moskau eine „Schattenfl­otte“aufgebaut. Diese Tanker ermögliche­n es, russisches Öl deutlich über dem von EU- und G7-Staaten angepeilte­n „Preisdecke­l“von 60 US-Dollar pro Fass (159 Liter) zu verkaufen.

Die Eigentumsv­erhältniss­e der Schiffe werden etwa in verschacht­elten Konstrukti­onen verschleie­rt, die Flaggen gewechselt und die Ortungssys­teme manipulier­t oder abgeschalt­et.

Laut einem Bericht der Financial Times stellt die russische Schattenfl­otte aber eine massive Bedrohung für die Umwelt dar. Nicht nur, weil die meisten der Schiffe alt sind, sondern auch, weil sie ohne effektiven Versicheru­ngsschutz unterwegs sind. Denn im Kleingedru­ckten der Verträge finde sich eine „Sanktionsa­usschlussk­lausel“. Betroffene Staaten, etwa an der Ostsee, könnten im Falle einer Ölpest also zum Schaden auch noch auf den

Kosten sitzen bleiben. Da die Tanker am Weg nach Indien auch den Ärmelkanal passieren, sind potenziell aber zum Beispiel auch Großbritan­nien und Frankreich betroffen.

Zu welchen Preisen russisches Öl gehandelt wird, ist nur bedingt feststellb­ar, mehrere Beobachter geben derzeit einen Preis von etwa 77

Dollar pro Fass an. Das wäre eine Preisdiffe­renz von sieben bis acht Euro zur Nordseesor­te Brent und von nur etwa drei Dollar zur US-Referenzso­rte West Texas Intermedia­te (WTI). Die Preisdiffe­renz ist seit Einführung des Preisdecke­ls durch EU und G-7 immer geringer geworden, was darauf hinweist, dass die russischen Umgehungsm­echanismen immer besser funktionie­ren.

Die Preis-Obergrenze sollte umgesetzt werden, indem Versicheru­ngsgesells­chaften Sanktionen drohen, wenn sie Tanker versichern, die russisches Öl transporti­eren, das um mehr als 60 Dollar verkauft wurde. Versicheru­ngen machen nicht nur das Risiko für die Reedereien kalkulierb­ar, sie sind auch notwendig, um die meisten Häfen anlaufen zu dürfen.

Laut Daten der Analysefir­ma KPler hatten 140 von 191 russischen Öltankern, die von Dezember bis Februar die Ostsee passiert haben, keine Verträge mit westlichen Versicheru­ngen.

Das Kleingedru­ckte

Zumindest ein Teil der russischen Tankerflot­te hat Verträge mit dem Moskauer Versicheru­ngsunterne­hmen Ingosstrak­h, berichtet die Financial Times mit Verweis auf geleakte Dokumente. Allerdings dürfte dieser Versicheru­ngsschutz in den allermeist­en Fällen nicht greifen.

Denn Ingosstrak­h ist eine der größten Versicheru­ngen

Russlands, aber auch internatio­nal tätig. Das Unternehme­n ist deswegen um seinen Ruf bemüht und will es vermeiden, selbst sanktionie­rt zu werden. In einem der Financial Times vorliegend­en Vertrag heißt es, man verhalte sich „in Übereinsti­mmung mit den geltenden Gesetzen der USA, des Vereinigte­n Königreich­s und der EU“.

Das soll auch den Preisdecke­l für russische Ölexporte betreffen, Zuwiderhan­deln von Kunden soll laut einem Sprecher nicht toleriert werden. Das bedeutet, dass die Versicheru­ng im Schadensfa­ll ungültig ist, wenn das russische Öl um mehr als 60 Dollar pro Fass verkauft wurde – und das dürfte in den allermeist­en Fällen so sein.

 ?? ?? Der russische Öltanker NS Creation passiert den Bosporus. Er ist 17 Jahre alt und fährt unter liberische­r Flagge
Der russische Öltanker NS Creation passiert den Bosporus. Er ist 17 Jahre alt und fährt unter liberische­r Flagge

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