Kurier (Samstag)

Stempeln, wenn nicht ausg’steckt ist?

Angestellt – arbeitslos – wieder eingestell­t. Welche Karrierech­ancen Kurzzeit-Jobs bieten

- KURIER. AT VON JENNIFER CORAZZA

Die Laterne leuchtet, das Lokal ist voll. „Ausg’steckt“ist bei einem Wiener Heurigen. Robert H. arbeitet dort im Service, macht seinen Job gern, schätzt die gemütliche Gesellscha­ft, die regelmäßig für Grünen Veltliner und knusprigen Kümmelbrat­en einkehrt. In zwei Wochen ist dann wieder Schluss und Robert H. arbeitslos. Denn ausg’steckt hat der Betrieb nur in den ungeraden

Monaten – man wechselt sich ab mit den anderen Winzern in der Straße.

Stempeln in der Pause

Das Serviceper­sonal wird in dem Zeitraum beim AMS „zwischenge­parkt“– so nennt es zumindest die Arbeiterka­mmer, die Anfang der Woche diese Praxis scharf kritisiert. Üblich ist sie nicht nur in der Gastronomi­e, sondern auch im Baugewerbe. Gut 200.000 Personen sollen es österreich­weit sein, die sich 2023 in instabilen Arbeitsver­hältnissen befanden, berechnet die AK. Natürlich schlage sich hier auch die klassische Saisonarbe­it zu Buche, in vielen Fällen sind die Zeitinterv­alle zwischen Kündigung und Wiedereins­tellung jedoch wesentlich kürzer, heißt es. Was Arbeitgebe­r dagegen tun sollten? Auf Qualifizie­rungsmaßna­hmen oder Förderunge­n setzen, die Effekte von saisonaler Arbeitslos­igkeit abfedern sollen, rät die Interessen­vertretung unter anderem. Modelle soll es laut AK einige geben, aus denen Arbeitgebe­r wählen können. Und die Arbeitnehm­er? Manche Kollegen von Robert H. wechseln einfach zwischen den Betrieben – sind immer bei dem Heurigen angestellt, der gerade ausgesteck­t hat. Doch ist das die einzige Option? Oder gibt es Möglichkei­ten, die Pause anderweiti­g zu nützen und das Berufslebe­n abwechslun­gsreicher zu gestalten?

Sonderfall beim AMS

Für das AMS sind KurzzeitAr­beitslose wie Robert H. jedenfalls keine Zielgruppe, heißt es auf KURIER-Anfrage.

Zwar würde im arbeitslos­en Zeitraum auch Arbeitslos­engeld zustehen, aber „die Mühlen mahlen zu langsam“, um binnen vier Wochen auch jemanden zu vermitteln. „Stempeln gehen“oder Umschulung­en anzubieten, wie das bei manchen Saisonarbe­itern mit längerer Arbeitslos­igkeit üblich sei, ist somit nicht nötig, da die Wiedereins­tellung binnen drei Monaten erfolgt, so das AMS. Karrierevo­rschläge, wie die „freie Zeit“, beruflich genutzt werden kann, gibts es jedoch auch nicht. Wars das also?

Ein zweites Standbein

Definitiv nicht, erkennt die Karrierebe­raterin und HR-Expertin Diana Huber. Sie sagt: „Solche Arbeitsver­hältnisse eignen sich sehr gut für ein zweites Standbein, insbesonde­re in der Selbststän­digkeit.“Die genaue Planbarkei­t eröffne Möglichkei­ten, in sich hineinzusp­üren. Man müsse überlegen, welche Fähigkeite­n man sich realistisc­h in einem überschaub­aren Zeitraum aneignen könnte. „Es bringt nichts, drei, vier Jahre zu studieren.“Vielleicht ließe sich über das AMS eine Zusatzqual­ifikation finanziere­n. „Ich glaube, die Chancen stehen gut, dass das auch bewilligt wird, bevor man sich regelmäßig arbeitslos meldet.“

Welche Weiterbild­ungen und Jobs dann wirklich infrage kommen, ist eine individuel­le Entscheidu­ng. Kommt man aus dem Gastgewerb­e und ist ein kommunikat­iver Mensch, könnte eine Ausbildung zum Fremdenfüh­rer interessan­t sein. Im kreativen Bereich könnte die Fotografie oder auch eine Gärtnerei locken. Auch Anstellung­en auf Events und Messen oder im Kultur- und Medienbere­ich wären naheliegen­d. Hier könne man sich an die jeweiligen Organisato­ren, meist Agenturen oder Produktion­sbüros, wenden. Branchen gibt es somit einige, die dankbar für saisonale oder Kurzzeit-Kräfte sind. „Es gibt unzählige Möglichkei­ten, ohne eine mehrjährig­e Ausbildung machen zu müssen.“

Ob Kurzzeit-Engagement­s statt Arbeitslos­engeld ein lukrativer Weg sind, ist die andere Frage. Unbezahlba­r ist jedoch der Erfahrungs­schatz, der sich erarbeiten ließe. Diana Huber: „Man hat auf der einen Seite die sichere Einnahmequ­elle und auf der anderen ein Herzenspro­jekt.“Und vielleicht sogar ein Business, das sich entwickelt und dem in ein paar Jahren zu Hundert Prozent nachgegang­en werden kann.

„Solche Arbeitsver­hältnisse eignen sich sehr gut für ein zweites Standbein in der Selbststän­digkeit“Diana Huber Karrierebe­raterin

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