Kurier (Samstag)

ÜBER leben

- Guido Tartarotti guido.tartarotti@kurier.at

Nach vier Jahren bin ich plötzlich aufgewacht und war wieder Single. Im ersten Augenblick ist das atemberaub­end. Ich war gerne vergeben. Meine Freundin war das schönste, humorvolls­te und warmherzig­ste Mädchen der Welt. Dass sie plötzlich weg war, machte mich atemlos. Dann sah ich plötzlich die Vorteile des Singlelebe­ns. Ich kann alleine ausgehen und Frauen treffen. Ich kann mich plötzlich in zwielichti­gen Bars herumtreib­en und Cola trinken – Alkohol lasse ich lieber bleiben. Ich kann laufen gehen, Tennis spielen und Freunde treffen, ganz wie es mir gefällt. Nicht, dass sie da etwas dagegen gehabt hätte, aber ich hatte etwas dagegen – ICH hatte etwas dagegen, denn ich empfand jede Minute, die ich nicht mit ihr verbrachte, als verlorene Zeit.

Ich kann sogar Nordic Walking gehen, was ich bisher als verlorene und etwas peinliche Beschäftig­ung betrachtet­e. Nordic Walker sehen immer ein wenig komisch aus, vor allem, wenn sie zu bunte und etwas zu enge Dressen tragen. Ich kann fernsehen bis drei Uhr früh, ohne dass ich Gefahr laufe, jemanden aufzuwecke­n. Ich kann in meinem Bett schlafen. Bisher musste ich immer ins Wohnzimmer auswandern, weil ich viel zu laut schnarchte. Das Schnarchen ist übrigens verschwund­en, weil ich 20 Kilo abgenommen habe.

Ich kann mich mit meinem besten Freund treffen und die halbe Nacht durchplaud­ern. Und ich kann laut Heavy Metal hören, das hat ihr nämlich gar nicht gefallen.

Und ich kann mir selbst etwas kochen und so scharf würzen, wie es mir gefällt.

Ja, Single sein ist nicht schlecht. Warten wir einmal ab, was passiert – denn Single sein ist, wie gesagt, nicht schlecht. Aber es ist nur die zweitbeste Lebensweis­e. In Wahrheit bin ich doch am liebsten zu zweit. Ich bin stark und fühle mich bereit für neue Abenteuer. Was immer da kommen mag, ich bin sehr neugierig. Das Leben hält doch immer wieder neue Überraschu­ngen in der Hinterhand.

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