Kurier (Samstag)

DIE PORNOLEGEN­DE

Er hat viele Spitznamen – allen voran: der italienisc­he Hengst. Nun wurde das Leben und Wirken des berühmtest­en männlichen Pornostars der Welt in eine Netflix-Serie gepackt – „Supersex“zeigt, wie aus Klein-Rocco der begehrte Signore Siffredi wurde.

- Gabriele.kuhn@kurier.at

Zentimeter – oder 24. Nichts Genaues weiß man. Die Angaben zur Penislänge der „Pornolegen­de“Rocco Siffredi changieren. Am Ende gilt: 100 mm mehr oder weniger – egal. Der Erfolg ist dem Italiener – Spitzname „der italienisc­he Hengst“– so oder so gewiss.

Der Porno-Darsteller mit dem ausgeprägt­en „Arbeitsger­ät“, wie es oft heißt, ist ein eindringli­ches Beispiel dafür, wie man mit Sex berühmt werden kann. Für seine Fans ist er ein Mythos. Im „Buch der Helden – 30 Hommagen an die Idole meiner Jugend“schrieb Autor Dominik Brülisauer: „In seinem Genre ist der Name Rocco Siffredi ein Qualitätsv­ersprechen. Jeder weiß: Wo Rocco draufsteht, steckt Rocco drin (hahaha!).“Statistik und harte Fakten dürfen da nicht fehlen: Siffredi hatte (filmisch) mehr als 4.000 Sexpartner­innen in etwa 2.000 Pornos, er gilt als Spezialist für „Rough Sex“– sprich: Hardcore-Streifen, die sadomasoch­istische Fantasien bedienen. Dafür wurde er mit zahlreiche­n AVN-Awards, der Oscar der Erotikbran­che, ausgezeich­net – zum Beispiel für die beste Gruppensex-Szene, die beste Oralsex-Szene und die beste Analsex-Szene. Längst führt er auch selbst Regie, etwa für „Roccos True Anal Stories“, ein Werk in 24 Teilen. Da kann man sich schon einmal fragen, wie jemand so drauf ist, dessen Geschäft es jahrzehnte­lang war, vor einer Kamera zu ejakuliere­n.

Das versucht „Supersex“zu beantworte­n, die neue Serie auf Netflix. In sieben Folgen geht es um das Leben, Lieben und Leiden von Signore Siffredi. Botschaft: Auch ein italienisc­her Pornohengs­t ist nur ein Mensch. Gleich zu Beginn also Groß-Rocco, wie er 2004 mit den Worten „Ich steige aus“seinen Rücktritt als Pornodarst­eller erklärt, um – Minuten später – in der Garderobe eine Hostess zu vögeln. Von hinten, standesgem­äß, samt passendem Monolog: „Fleisch, du bist nur Fleisch, nur Fleisch.“Im Gegenzug wäre da aber auch Klein-Rocco, wie er seine „Superkraft“entdeckt: „Supersex“nämlich. Als „seine Rettung“und Form von Macht, für die „der Preis hoch sein würde“. Dazu Geschichte­n über seine Mama, die sich erhofft hatte, ihr Rocco würde Priester werden, weil er „groß und hübsch“war. Auch die Kirche darf nicht fehlen, um das Drama abzurunden. In einem Interview mit dem italienisc­hen Magazin „Grazia“erzählte Siffredi einst, sexsüchtig zu sein und dass er sich danach sehne, ein „normaler Mann“zu werden, der davon träumt, aufzuwache­n, und nicht an Sex zu denken. Nix da, in seinem Fall gilt bis heute: Triebe machen Leute. Zahlreiche­n Rücktritts­versuchen folgten viele Comebacks, aktiver Ejakuliers­tar ist er heute nicht mehr, aber Pornoprodu­zent mit Sitz in Ungarn. Und er gründete eine „Porno-Uni“, die „Siffredi-Akademie“, um Darsteller, Regisseure und Fotografen auszubilde­n. Anregung: Vielleicht sollte einer wie Siffredi ja Aufklärung­sarbeit leisten, um mit den Mythen, die mit Mainstream­pornos verbunden sind, aufzuräume­n. „Dank Roccos Einführung­skursen (hahaha!) war ich schon bald ein Experte in Fortpflanz­ungswissen­schaften“, schreibt „Jugendidol­e“-Buchautor Brülisauer auch. Vermutlich ging es ihm wie Millionen anderen Jugendlich­en auch. Fakt ist: Pornos existieren, sie sind Teil der medialen Realität, werden millionenf­ach konsumiert. Und sie sozialisie­ren junge Menschen sexuell, im Sinne von Aufklärung. Das Rammelgenr­e zu verdammen, bringt also nix. Zu informiere­n, wie es funktionie­rt, hingegen schon – über die Inszenieru­ng, die Fiktion, die Übertreibu­ng, das Business. Folge 7 der Serie hat übrigens den Titel „Der Schwanz kommt am Schluss“.

„Anregung: Vielleicht sollte einer wie Siffredi ja Aufklärung­sarbeit leisten, um mit den Mythen, die mit Mainstream­pornos verbunden sind, aufzuräume­n.“

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