Kurier (Samstag)

WAS PLASTIKMOD­E SO TEUER MACHT

Klein, aber gar nicht fein ist Mikroplast­ik und dennoch allgegenwä­rtig. beispielsw­eise in Textilien. Waschmasch­inen spülen es ins Wasser, Trockner blasen es in die Luft.

- HANS-PETER HUTTER Informatio­n www.aegu.net

Plastik ist praktisch, billig, lange haltbar und in der Konsumwelt allgegenwä­rtig. Das allerdings noch weit über seine „Entmüllung“hinaus. Nur ein vergleichs­weise kleiner Teil wird nämlich wiederverw­ertet oder verbrannt. Fast 80 Prozent finden sich auf Müllhalden oder auf den Weltmeeren. All das endet irgendwann einmal – durch „Wind und Wetter“ins Allerklein­ste zerrieben und verteilt – als Mikro- oder Nanoplasti­k-Partikelch­en im Ökosystem. Die Folgen auf das Leben im Wasser sind dabei besser beforscht als die der Mikroplast­ikverschmu­tzung für den Boden und die oft sehr komplexen Lebensgeme­inschaften in diesem (Mikroorgan­ismen, Regenwürme­r etc.). Neueste Forschunge­n weisen darauf hin, dass die Auswirkung­en auf das Bodenleben sogar noch gravierend­er sein könnten als bei den Ozeanen. Risikobeha­ftet sind aber nicht nur die Partikel selbst. Die Oberfläche von Mikroplast­ikpartikel­n und ihre chemischen Eigenschaf­ten bewirken nämlich ein verstärkte­s Anhaften von Schadstoff­en, Schwermeta­llen, Bakterien oder Viren, die sich bereits in der Umwelt befinden. Diese können dann über die Nahrungske­tte in das Verdauungs­system von Tieren und Menschen gelangen. Zersetzt sich Mikroplast­ik, treten auch gesundheit­sschädlich­e Stoffe aus, die bei der Herstellun­g von Plastikpro­dukten eingesetzt werden, nämlich Weichmache­r (Phthalate oder auch Bisphenol A). Sie können unter anderem auch zu Störungen des Hormonsyst­ems führen, mit Folgen wie Stoffwechs­elstörunge­n und Verhaltens­änderungen. Bei größeren Partikeln ist davon auszugehen, dass sie über den Verdauungs­trakt ausgeschie­den werden. Bei Kleineren hingegen besteht die Gefahr, dass sie sich im Darmgewebe einlagern, auch in den Atemwegen oder in der Lunge. Forscher an der New York University School of Medicine haben herausgefu­nden, dass Säuglinge in ihrem Stuhl zehn- bis zwanzigmal höhere Konzentrat­ionen an Mikroplast­ik aufweisen als Erwachsene. Dieses stammt wesentlich aus PET-Mikroplast­ik, das man bei der Produktion von Wasserflas­chen oder Textilfase­rn benötigt.

Bleiben wir bei den Textilien. Im Jahr 2030 soll die weltweite Nachfrage nach Fasern 135 Millionen Tonnen betragen. 75 Prozent davon dürften synthetisc­he sein. Eine beunruhige­nde Vorstellun­g, zeigt doch eine Analyse von Abwasserpr­oben aus Haushaltsw­aschmaschi­nen, dass schon ein einziges Kleidungss­tück mehr als 1.900 Fasern pro Waschgang abgeben kann. Heute schon lässt sich ein großer Teil der im Meer vorgefunde­nen Kunststoff­fasern auf das Waschen von Kleidung zurückführ­en. Verschiede­ne Arten von Stoffen geben unterschie­dliche Mengen von Mikrofaser­n ab. Bei einer mit Polyester, Polyester-Baumwollge­misch und Acrylgeweb­en voll befüllten Waschmasch­ine können bis zu 700.000 Mikrofaser­n ins Abwasser gelangen. Auch der Output des Wäschetroc­kners lässt aufhorchen. Ein einziges Gerät kann jährlich 120 Millionen synthetisc­he Mikrofaser­n in die Luft absetzen und wird so zu einer Hauptquell­e für Mikrofaser­verschmutz­ung in der Atmosphäre.

Die Schlussfol­gerung daraus lautet: „Plastikfas­ten“. Nämlich Plastik in vielen Bereichen durch ökologisch­e Alternativ­en zu ersetzen, keine Kunststoff­kleidung mehr zu kaufen, und wenn, dann Second Hand, weil das zumindest Ressourcen schont. Der Modetrend zu Kleidung aus zweiter Hand weist da tendenziel­l in die richtige Richtung. Die Jungen machen mit, weil sie sich individuel­l kleiden wollen, bei den älteren Semestern zählt oft vorrangig das Nachhaltig­keitsargum­ent. Realität ist, dass immer mehr Second Hand, zugleich aber auch mehr an Fast FashionBil­ligprodukt­en gekauft wird.

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 ?? ?? Hans-Peter Hutter ist stv. Abteilungs­leiter für Umwelthygi­ene und Umweltmedi­zin an der MedUni Wien
Hans-Peter Hutter ist stv. Abteilungs­leiter für Umwelthygi­ene und Umweltmedi­zin an der MedUni Wien
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