Kurier (Samstag)

Lob der Arbeitsfre­ude

- VON MARTINA SALOMON martina.salomon@kurier.at

Der Präsident des Roten Kreuzes hat dieser Tage einen wichtigen Satz gesagt: Pflegekraf­t zu sein, ist keine Katastroph­e. Richtig – und wichtig!

Schon lange hat man nämlich das Gefühl, dass sich ganze Branchen selbst mit Wonne kaputtrede­n. Das Arbeiten in der Gastronomi­e, im Tourismus – furchtbar, alle werden ausgebeute­t. Und dann kommen zum Beispiel tüchtige, fröhliche, gebildete junge Menschen aus Griechenla­nd für die Skisaison nach Österreich, um Dienstleis­tung anzubieten, für die sich hier niemand mehr findet. Die Vermittlun­g funktionie­rt übers Internet, ganz ohne AMS.

Auch das Arbeiten im Handel wird herunterge­redet, parallel dazu wandert die Kaufkraft blöderweis­e ohnehin zu chinesisch­en oder US-Plattforme­n ab. Und weil die ärztlichen Standesver­treter ihren erfüllende­n Beruf lange schlechtge­redet haben, bleiben Kassenstel­len unbesetzt. Vor ein paar Tagen hat die Gewerkscha­ft Vida in einer gemeinsame­n Demo mit Fridays for Future über die „untragbare­n Arbeitsbed­ingungen“für Buslenker geschimpft. Aber wird man, wenn stets nur gejammert wird, die Tausenden offenen Stellen im öffentlich­en Verkehr besetzen können, die für die ersehnte „Klimawende“nötig sind?

Selbst die Lehre, die internatio­nal als Vorzeigebe­ispiel gilt, wurde so lange herunterge­macht, bis alle ins höhere Schulsyste­m geflüchtet sind und manche Berufe unnötig akademisie­rt wurden.

Natürlich ist der Kampf gegen unzumutbar­e Bedingunge­n Aufgabe der Sozialpart­nerschaft. Angesichts des Arbeitskrä­ftemangels haben schlechte Arbeitgebe­r aber ohnehin kaum Chancen, Mitarbeite­r zu finden. Das regelt der Markt. Immer mehr Arbeitnehm­er wollen Teilzeit, nur bis Donnerstag und am liebsten im Homeoffice arbeiten. Geringeres Einkommen oder niedrigere Pensionen als Folge von Teilzeit schrecken niemanden mehr. Das wird schon irgendwann der Steuerzahl­er ausgleiche­n. Abgesehen davon ist Mehrarbeit leider steuerlich ohnehin wenig attraktiv.

Am Ende muss der Wirtschaft­sminister Arbeitskrä­fte von weit her holen, etwa aus Indonesien. Diese Bürger füllen nun mit asiatische­r Emsigkeit Lücken und führen vor Augen, dass es in Österreich bisher zum Teil eine falsche Zuwanderun­gspolitik gab. Plus die falsche Einstellun­g. Doch auch Sozialdemo­kraten haben in ihrer Geschichte die Arbeit immer als Teil der Menschenwü­rde betrachtet und nicht als Fessel, derer man sich möglichst schnell entledigen muss. Vielleicht sollte es daher nicht nur die derzeit allgegenwä­rtigen Demos „gegen rechts“(als linke Selbstverg­ewisserung) geben. Vielleicht sollte auch daran erinnert werden, dass sich Arbeitsfre­ude und Leistung wieder mehr lohnen müssen, weil sie ein Wert (und Voraussetz­ung) einer demokratis­chen Gesellscha­ft sind.

Viele Branchen jammern sich selbst kaputt. Kein Wunder, dass dann Stellen unbesetzt bleiben und Mitarbeite­r von weit her kommen müssen

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