Kurier (Samstag)

Medienpriv­ileg: Kanzleramt lässt die Justiz warten

Stellungna­hme erst zu fertigem Entwurf

- VON RAFFAELA LINDORFER RAFFAELA LINDORFER

In der Debatte um eine Neuregelun­g des sogenannte­n Medienpriv­ilegs gehen weiter die Wogen hoch – in der Medienbran­che, aber auch in der türkis-grünen Koalition.

Das Justizmini­sterium hatte im Februar einen Entwurf vorgelegt, der bei Journalist­en und Fachleuten Sorge um die Pressefrei­heit aufkommen ließ. Grob gesagt geht es darum, dass der Verfassung­sgerichtsh­of (VfGH) das Medienpriv­ileg – eine Ausnahme vom Datenschut­z – aufgehoben hat, weil es absolut gilt. Es brauche eine Abwägung zwischen dem Recht auf Informatio­n und dem Schutz Betroffene­r, über die berichtet wird.

Neuer Vorschlag

Ein Entwurf des Justizmini­steriums vom Februar sieht nun eine Einzelfall­prüfung vor. Betroffene dürfen sich demnach mit Beschwerde­n an die Datenschut­zbehörde wenden, die dann in jedem einzelnen Fall abwägen muss, ob nun das eine oder das andere Interesse überwiegt. Wenn es jemand darauf anlegt, könnte er damit Medien de facto lahmlegen, lautet die Sorge vieler Experten. Das Redaktions­geheimnis würde durch diese Regelung relativier­t.

Nun gibt es seit vergangene­r Woche einen neuen Entwurf von Interessen­svertreter­n, der dem KURIER vorliegt. Darin wird vorgeschla­gen, dass die Datenschut­zbehörde erst dann zuständig wird, wenn ein profession­elles Medienunte­rnehmen wegen seiner Berichters­tattung rechtskräf­tig verurteilt wurde – medien-, zivil- oder strafrecht­lich.

Die Betonung liegt auf „profession­ell“, weil Journalist­en und die Medienunte­rnehmen, für die sie arbeiten, sich anerkannte­n Kodifizier­ungen und berufsethi­schen Regeln verpflicht­en.

Erst wenn ein Gericht als vorgelager­te Stelle festgestel­lt hat, dass es tatsächlic­h eine Rechtsverl­etzung gab, sollen Betroffene beim jeweiligen Medium um Auskunft, Löschung und/oder Einschränk­ung ansuchen können.

Keine Rückmeldun­g

Wie viel Gewicht dieser Vorschlag hat, ist vorerst offen. Verfassung­sexperten wie Christoph Bezemek hielten diese Vorgangswe­ise für sinnvoll (der KURIER berichtete).

Im Justizmini­sterium wird betont, man sei für Vorschläge offen. Den eigenen Entwurf, der für so viel Kritik gesorgt hat, habe man dem Verfassung­sdienst im Bundeskanz­leramt vorgelegt und um Rückmeldun­g gebeten. Dort teilte man am Freitag aber mit, dass eine verfassung­srechtlich­e Prüfung erst im Begutachtu­ngsverfahr­en erfolge.

Prinzipiel­l dürfen alle öffentlich­en Dienststel­len beim Verfassung­sdienst Gutachten zu Verfassung­sfragen einholen – auch, bevor ein Gesetzesen­twurf in Begutachtu­ng geschickt wird. Ein Umstand, der beispielsw­eise während der Pandemie hervorgeho­ben wurde: Da hieß es, das Gesundheit­sministeri­um könne jederzeit auf die Unterstütz­ung der Experten im Verfassung­sdienst zählen.

Frist bis 30. Juni

Gibt es rund ums Medienpriv­ileg nun keine Unterstütz­ung?

Aus dem Bundeskanz­leramt heißt es, der Verfassung­sdienst sei „informell und punktuell in Beratungen einbezogen“worden. „Eine offizielle Befassung erfolgt wie üblich aber erst bei Vorliegen eines Entwurfs im Rahmen der Begutachtu­ng. Betont wird, dass für das Thema Datenschut­z das Justizmini­sterium selbst zuständig sei. Dies gelte auch für die Beurteilun­g der Sachlichke­it des Entwurfs im Hinblick auf die Abwägung zwischen dem Recht auf freie Meinungsäu­ßerung und Informatio­nsfreiheit und dem Recht auf Datenschut­z.

Die Zeit drängt. Mit 30. Juni läuft das Medienpriv­ileg in seiner jetzigen Form aus.

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