Medienprivileg: Kanzleramt lässt die Justiz warten
Stellungnahme erst zu fertigem Entwurf
In der Debatte um eine Neuregelung des sogenannten Medienprivilegs gehen weiter die Wogen hoch – in der Medienbranche, aber auch in der türkis-grünen Koalition.
Das Justizministerium hatte im Februar einen Entwurf vorgelegt, der bei Journalisten und Fachleuten Sorge um die Pressefreiheit aufkommen ließ. Grob gesagt geht es darum, dass der Verfassungsgerichtshof (VfGH) das Medienprivileg – eine Ausnahme vom Datenschutz – aufgehoben hat, weil es absolut gilt. Es brauche eine Abwägung zwischen dem Recht auf Information und dem Schutz Betroffener, über die berichtet wird.
Neuer Vorschlag
Ein Entwurf des Justizministeriums vom Februar sieht nun eine Einzelfallprüfung vor. Betroffene dürfen sich demnach mit Beschwerden an die Datenschutzbehörde wenden, die dann in jedem einzelnen Fall abwägen muss, ob nun das eine oder das andere Interesse überwiegt. Wenn es jemand darauf anlegt, könnte er damit Medien de facto lahmlegen, lautet die Sorge vieler Experten. Das Redaktionsgeheimnis würde durch diese Regelung relativiert.
Nun gibt es seit vergangener Woche einen neuen Entwurf von Interessensvertretern, der dem KURIER vorliegt. Darin wird vorgeschlagen, dass die Datenschutzbehörde erst dann zuständig wird, wenn ein professionelles Medienunternehmen wegen seiner Berichterstattung rechtskräftig verurteilt wurde – medien-, zivil- oder strafrechtlich.
Die Betonung liegt auf „professionell“, weil Journalisten und die Medienunternehmen, für die sie arbeiten, sich anerkannten Kodifizierungen und berufsethischen Regeln verpflichten.
Erst wenn ein Gericht als vorgelagerte Stelle festgestellt hat, dass es tatsächlich eine Rechtsverletzung gab, sollen Betroffene beim jeweiligen Medium um Auskunft, Löschung und/oder Einschränkung ansuchen können.
Keine Rückmeldung
Wie viel Gewicht dieser Vorschlag hat, ist vorerst offen. Verfassungsexperten wie Christoph Bezemek hielten diese Vorgangsweise für sinnvoll (der KURIER berichtete).
Im Justizministerium wird betont, man sei für Vorschläge offen. Den eigenen Entwurf, der für so viel Kritik gesorgt hat, habe man dem Verfassungsdienst im Bundeskanzleramt vorgelegt und um Rückmeldung gebeten. Dort teilte man am Freitag aber mit, dass eine verfassungsrechtliche Prüfung erst im Begutachtungsverfahren erfolge.
Prinzipiell dürfen alle öffentlichen Dienststellen beim Verfassungsdienst Gutachten zu Verfassungsfragen einholen – auch, bevor ein Gesetzesentwurf in Begutachtung geschickt wird. Ein Umstand, der beispielsweise während der Pandemie hervorgehoben wurde: Da hieß es, das Gesundheitsministerium könne jederzeit auf die Unterstützung der Experten im Verfassungsdienst zählen.
Frist bis 30. Juni
Gibt es rund ums Medienprivileg nun keine Unterstützung?
Aus dem Bundeskanzleramt heißt es, der Verfassungsdienst sei „informell und punktuell in Beratungen einbezogen“worden. „Eine offizielle Befassung erfolgt wie üblich aber erst bei Vorliegen eines Entwurfs im Rahmen der Begutachtung. Betont wird, dass für das Thema Datenschutz das Justizministerium selbst zuständig sei. Dies gelte auch für die Beurteilung der Sachlichkeit des Entwurfs im Hinblick auf die Abwägung zwischen dem Recht auf freie Meinungsäußerung und Informationsfreiheit und dem Recht auf Datenschutz.
Die Zeit drängt. Mit 30. Juni läuft das Medienprivileg in seiner jetzigen Form aus.