Kurier (Samstag)

Wenn es in Brüssel um Europas zornige Bauern geht, hat die Ukraine das Nachsehen

EU-Gipfel verschärft Kurs gegen Agrarimpor­te aus Ukraine und verspricht Landwirten weniger Bürokratie und weniger Umweltschu­tz

- Gesetze KONRAD KRAMAR, BRÜSSEL

gestoppt. Diesmal brannten keine Strohballe­n im Zentrum von Brüssel, wurde kein Kuhmist auf die Straßen gekippt: Die Proteste der Bauern am Rande des EUGipfels am Donnerstag und Freitag verliefen ruhig. Die Botschaft der Landwirte ist ohnehin längst an der EUSpitze angekommen und bestimmt dort die Politik.

Auch die 27-Staats- und Regierungs­chefs der EU und die EU-Führung widmeten sich ausführlic­h den Bauern und ihren Problemen. Man sei entschloss­en, kurz- und langfristi­g Maßnahmen zu setzen, um den Landwirten angesichts von „Herausford­erungen und Belastunge­n“zu helfen, erklärte Kommission­schefin Ursula von der Leyen zum Abschluss des Gipfels vor der Presse.

Zugleich aber geht es darum, den Zorn der Bauern zu zügeln. Und der hatte sich zuletzt an den Importen von Agrarprodu­kten aus der Ukraine entzündet. Um die Ukraine nach dem Überfall Russlands zu unterstütz­en, hatte die EU ihre Grenzen für Weizen, Hühner, oder Zucker aus der Ukraine geöffnet. Die Einfuhren schossen in die Höhe, die Preise fielen in den Keller. Die Bauern, etwa in Polen, oder Rumänien, fühlten sich von der Konkurrenz überforder­t und gingen auf die Straße.

Schon vor dem EU-Gipfel hatte man in Brüssel im Eilverfahr­en neue Beschränku­ngen für Importe aus der Ukraine auf den Weg gebracht. Beim Gipfel entschiede­n sich die Regierungs­chefs dann für eine noch härtere Gangart und noch striktere Obergrenze­n, die rasch vereinbart und auch in Kraft gesetzt werden sollen.

Umweltgese­tz steckt fest

Zugleich versprach man weniger Bürokratie und mehr Flexibilit­ät in Fragen des Umweltschu­tzes. Eine ideologisc­he Kehrtwende, immerhin hat Ursula von der Leyen den „Green Deal“, also Maßnahmen für Umwelt- und Klimaschut­z, zu einem der Kernprojek­te ihrer Amtszeit erklärt. Und diese Kehrtwende nimmt seit Wochen immer mehr Fahrt auf. Ein EU-Umweltschu­tz-Gesetz nach dem anderen wird zurechtges­tutzt – oder ganz außer Kraft gesetzt.

So war es wohl kein Zufall, dass gerade während die EU-Spitzen versprache­n, beim Umweltschu­tz zu bremsen, eines der wichtigste­n Gesetze an der Ziellinie scheiterte. Das sogenannte Renaturier­ungsgesetz, das Europas Wälder, Moore und Äcker wieder in einen naturnahen Zustand versetzen soll, fand am Freitag unter den 27 EUStaaten keine Mehrheit mehr. Eine letzte Abstimmung des lange umstritten­en Gesetzes, die eigentlich als Formalität gilt, musste abgeblasen werden. Ob man es nächste Woche wieder versucht, blieb am Freitag ungeklärt.

In Österreich hat die ÖVP gemeinsam mit anderen europäisch­en Volksparte­ien schon im Vorjahr Front gegen das Gesetz gemacht. Entspreche­nd erfreut zeigte sich jetzt Bundeskanz­ler Karl Nehammer über die Entwicklun­gen. Man müsse Fragen der Landwirtsc­haft und auch des Umweltschu­tzes in Europa wieder viel mehr den einzelnen Ländern überlassen, zu unterschie­dlich seien Natur, Landschaft und damit die Bedingunge­n für die Bauern.

„Man muss vor Ort Lösungen finden“, erklärte der Kanzler: „Man kann Umweltschu­tz nicht zentralist­isch regeln. Die EU muss viel mehr auf die Bedürfniss­e der einzelnen Staaten eingehen.“

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