Kurier (Samstag)

„Das Handwerk hat goldenen Boden“

Interview mit Marcus Eisinger, dem Landesinnu­ngsmeister der Friseure, über Vorurteile, neue Maßnahmen und Künstliche Intelligen­z

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Ein Rückgang bei den Friseur-Lehrlingen von 49,8 Prozent in Wien ist die Bilanz der letzten 13 Jahre. Wie erklären Sie sich diesen Rückgang?

Marcus Eisinger: Ja, wir sind zu einem Mangelberu­f geworden, obwohl viele Menschen weiterhin glauben, unsere Branche ist überlaufen. Ich denke, das hat damit zu tun, dass es durch die Bildungspo­litik mittlerwei­le zwei Klassen in der Ausbildung gibt: Lehrberufe und Akademiker. Eine akademisch­e Ausbildung ist derzeit mehr in Mode. Dabei haben wir genug Betriebe, die ausbilden. Nur leider zu wenige Bewerbunge­n. Viele Jugendlich­e wollen am Samstag frei haben, das kommt auch hinzu.

Mit welchen Vorurteile­n werden Sie häufig konfrontie­rt?

Es kursiert nach wie vor die Mär, dass ein Friseur schlecht verdient. Dabei zahlen wir laut Kollektivv­ertrag besser als der Handel. Auch im Vergleich zu Deutschlan­d stehen wir besser da. Weiters sehen wir oft Vorbehalte, die einem religiösen Hintergrun­d geschuldet sind. Wir haben einen gewissen Grad an Zuwanderer­n bei den Auszubilde­nden. Hier sehen wir oft Töchter, die interessie­rt sind und Talent haben, aber vom Elternhaus keine Erlaubnis

bekommen, die Ausbildung zu ergreifen. Viele Topkräfte gehen somit verloren.

Welche Maßnahmen werden ergriffen, damit die Lehrlingsz­ahlen wieder steigen?

Wir haben die Zwischenpr­üfung eingeführt. Ziel der Zwischenpr­üfung ist es einerseits, Betrieben und Lehrlingen im zweiten Lehrjahr die Möglichkei­t einer Leistungsü­berprüfung zu bieten, aber auch die Anspannung und den Zeitdruck bei Gesellenpr­üfung zu minimieren. In den Teilbereic­hen Schönheits­pflege, Technikkop­f aber auch Rasur kann im Kompetenzz­entrum

Mollardgas­se bereits ein Teil der Gesellenpr­üfung absolviert werden, welcher bei positiver Beurteilun­g bei der Abschlussp­rüfung angerechne­t werden kann. Zudem haben wir das Kompetenzz­entrum ausgebaut und eine App eingeführt, damit sich die Lehrlinge selbststän­dig und digital auf die Prüfungen vorbereite­n können. Und wir haben einen Ausbildung­sleitfaden für Unternehme­r entwickelt, in dem wir über die einzelnen Ausbildung­sschritte informiere­n.

Inwiefern spielt die Digitalisi­erung dabei eine Rolle?

Das Prüfungswe­sen wurde komplett digitalisi­ert. Das Können jedes einzelnen Lehrlings wird dadurch genau abgebildet und ein Grundstock an Wissen wird somit gewährleis­tet.

Ist der Friseur-Beruf ein Zukunftsjo­b?

Definitiv. Die Künstliche Intelligen­z wird Dienstleis­tungen an sich nicht verdrängen können. Sie wird uns zwar zuarbeiten und Abläufe verbessern, aber das Handwerk hat goldenen Boden. Ich bin überzeugt, dass wir hier eine positive Entwicklun­g verzeichne­n werden. Die Menschlich­keit in unserem Beruf kann keine KI ersetzen.

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Marcus Eisinger, Landesinnu­ngsmeister der Friseure Wien

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