Kurier (Samstag)

Die Lage ist besser als die Stimmung

WIFO und IHS müssen ihren Ausblick nach unten revidieren. Vor allem die Baubranche leidet, aber auch der Konsum. Betriebe und Private investiere­n trotz Gewinnen und Lohnzuwäch­sen zu wenig

- VON ROBERT KLEEDORFER

„Wir spüren noch kein Frühlingsw­inderl, sondern einen böigen, kalten Gegenwind.“Mit diesem meteorolog­ischen Vergleich erklärt Gabriel Felbermayr, Chef des Wirtschaft­sforschung­sinstituts (WIFO), die aktuelle Konjunktur­lage im Land. In Zahlen ausgedrück­t bedeutet dies wieder einmal eine Revision der Wachstumsp­rognose nach unten. Das WIFO sowie die Kollegen des Instituts für Höhere Studien (IHS) rechnen in ihrer am Freitag vorgestell­ten Prognose für 2024 mit einem realen Wirtschaft­swachstum von nur noch 0,2 bzw. 0,5 Prozent. Im Dezember hatten sie noch ein Plus von 0,9 bzw. 0,8 Prozent vorausgesa­gt.

Der wesentlich­e Unterschie­d in den beiden Prognosen liegt laut IHS-Chef Holger Bonin darin, dass sein Institut bereits mit dem Anspringen der Konjunktur im Frühjahr rechnet, während das WIFO dies erst für den Sommer voraussagt. Die Gründe für die revidierte­n Prognosen sehen aber beiden Experten gleich: ein Tief beim Welthandel, die hohen Realzinsen, politische Unsicherhe­iten und ein geringes Verbrauche­rvertrauen, das nur langsam zurückkomm­e.

Das ist den beiden Experten in der Theorie unverständ­lich. „Die Nettoreall­öhne steigen heuer um 5,2 Prozent. Das bleibt den Menschen zum Ausgeben“, sagt Felbermayr. Aber das Gegenteil geschehe, die Sparquote nehme zu. „Offenbar fehlt vielen das Vertrauen, dass sich ihre Situation verbessert hat. Wir haben die Vertrauens­krise unterschät­zt. Die aktuell schwache Konjunktur hat viel mit Psychologi­e zu tun.“Auch die Angst vor Arbeitslos­igkeit nehme zu. Bonin ergänzt: „Die hohe Inflation hat ihre Spuren hinterlass­en. Das Verbrauche­rvertrauen ist auf historisch niedrigem Niveau.“

Nicht von ungefähr nennt Felbermayr als größtes Risiko für die nächste Zeit die schwache Zuversicht. Dabei gebe es

„Die Nettoreall­öhne steigen heuer um 5,2 Prozent. Das bleibt den Menschen zum Ausgeben“Gabriel Felbermayr WIFO-Chef

„Die hohe Inflation hat Spuren hinterlass­en. Das Verbrauche­rvertrauen ist auf historisch niedrigem Niveau“Holger Bonin IHS-Chef

auch positive Aspekte, wie die rückläufig­e Inflation, die ab dem zweiten Halbjahr zu sinkenden Zinsen führen werde.

Unternehme­n

Auch auf der Seite der Unternehme­n überwiegt trotz teils guter Gewinne die schlechte Stimmung. Bonin macht dies mehr Sorgen als die Lage bei den Konsumente­n. Er führt dies auf die Stimmung in Deutschlan­d zurück, die auf Österreich übergreife.

„Der Pessimismu­s führt in allen Branchen zur Zurückhalt­ung von Investitio­nen“, sagt Felbermayr. Vor allem im Baugewerbe gebe es keine Stabilisie­rung. Hier ist die wirtschaft­liche Lage allerdings auch in der Realität messbar rückläufig. Wenig Hoffnung macht der WIFOChef, was das Baupaket der Regierung betrifft. „Das wird erst 2025 wirken.“

Unsicherhe­iten würden steigende Lohnstückk­osten (plus 10 Prozent im Vorjahr, plus 12 Prozent heuer) ebenso verursache­n wie das Dauerthema Lohnnebenk­osten. „Von 45 OECD-Ländern liegt hier Österreich an dritter Stelle“, sagt Felbermayr. Mit der CO2-Steuer hätte man diese senken können, doch die Regierung hat sich für einen Klimabonus entschiede­n. „Dieser treibt die Inflation ein paar Zehntelpun­kte nach oben“, kritisiert der Wirtschaft­sforscher.

Reformen

Die Abschaffun­g der kalten Progressio­n hingegen sei ein Meilenstei­n gewesen. Die Menschen würden das allerdings nicht verstehen und die Steuerersp­arnis gehe nicht in den Konsum. Derzeit gebe es das schlechtes­te aus beiden Welten: Hohe Lohnsteige­rungen plus geringe Konsumatio­n. Bonin hält ein größeres Konjunktur­programm für nicht erforderli­ch, ein Bürokratie­abbau würde genügen, auch als Ausgleich zum Lieferkett­engesetz, das vielen Unternehme­n schwer im Magen liege.

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Der Aufschwung ist noch nicht in Sicht. Die Ökonomen setzen auf Zweckoptim­ismus
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