Das Unglück der inneren Kündigung
Was wirklich passiert, wenn man innerlich kündigt und warum es einem selbst am meisten schadet
Vor 9 Uhr Früh werden keine Nachrichten beantwortet und um Punkt 17 Uhr ist das Diensthandy wieder abgedreht. Keine Mühe, keine Überstunden und schon gar keine Extrameile. Wenn übertriebener Dienst nach Vorschrift zum Programm wird, hat man oft schon innerlich gekündigt. Was auf sozialen Medien unter „#quietquitting“(„leise Kündigung“) als Schritt in eine bessere WorkLife-Balance gefeiert wird, könnte laut Experteneinschätzungen schwerwiegende Konsequenzen nach sich ziehen. „Eine gesunde Abgrenzung zum Job und das
Vermeiden einer übertriebenen Aufopferung kann etwas Positives sein“, sagt Karriereberaterin und HR-Expertin Lisa Eckhardt. Aber: Die Zeit im Büro abzusitzen, mental auszuklinken und nur das absolute Minimum zu machen, wird nicht lange gut gehen. Es ist ein Teufelskreis. Mit einer passiven Grundhaltung und ohne Engagement bleiben nämlich auch Erfolgsgefühle im Job aus, „was wiederum zu noch mehr Unzufriedenheit führt.“
Burn-out-Gefahr
Das Thema ist komplex und simpel zugleich, erklärt der Personal-Coach Marcus Gegenbauer. Die einfache
Version: „Wenn man etwas tut, was einem total viel Spaß macht, dann geht es leicht von der Hand. Man vergisst alles, ist voll dabei und merkt auch nicht, wie die Zeit vergeht“, so Gegenbauer.
Das Gegenteil passiert bei einer inneren Kündigung. Die Arbeit falle einem deutlich schwerer, was über einen längeren Zeitraum den Körper überlasten kann. Immerhin „zwingt“man sich zur Arbeit. „Es ist tatsächlich ein physiologisches Problem und ein Erschöpfungszustand. Der Energieverbrauch ist so hoch, dass man ausbrennt“, betont der Experte. „Wir verbringen den ganzen Tag in der Arbeit, dort sollte man sich wohlfühlen.
Wenn es nicht gut läuft, kann sich das sogar auf das Privatleben auswirken.“Hinzukommt, dass man den Sinn der eigenen Tätigkeit nicht mehr erkennt, fügt Lisa Eckhardt zu. „Eine innere Kündigung führt somit auch zu Resignation und Perspektivenlosigkeit.“
Die Möglichkeiten
Wie man da wieder rauskommt? „In sich gehen und herausfinden, woher die Unzufriedenheit rührt“, ist Lisa Eckhardts Tipp. Was kann man an der Situation ändern? Und, ganz wichtig: Hat man dem Arbeitgeber diese Unzufriedenheit überhaupt schon kommuniziert? „Wenn man ein geschätzter Mitarbeiter ist, kann man mehr ausverhandeln, als man glaubt.“Es brauche auch meist keine großen Veränderungen, sondern oft „nur ein paar Millimeter“, um wieder durchstarten zu können, so die Expertin. Um gar nicht erst in eine innere Kündigung zu rutschen, empfiehlt Marcus Gegenbauer, auf sich selbst zu hören, um früh zu erkennen, wo die eigenen Grenzen liegen: „Dann kann man sie auch rechtzeitig setzen.“
Ist trotz aller Mühen keine Verbesserung in Sicht, kann man über eine echte Kündigung nachdenken, sagt Eckhardt: „Aber solange man das Unternehmen schätzt, ist es einen Versuch wert.“
„Eine innere Kündigung führt auch zu Resignation und Perspektivenlosigkeit“Lisa Eckhardt Karriereberaterin LISA ECKHARDT