Hickhack um Antisemitismus-Vorwürfe: „Verzerrter moralischer Kompass“
ÖVP fordert Ausladung von Annie Ernaux und Yanis Varoufakis, die aber gar nicht auftreten werden
Festwochen. Die ÖVP kritisiert massiv Milo Rau, der als neuer Intendant der Wiener Festwochen die „Freie Republik Wien“ausrufen lässt. Denn dem „Rat der Republik“gehören – neben Literaturnobelpreisträgerin Elfriede Jelinek u. a. – die französische Literaturnobelpreisträgerin Annie Ernaux und der griechische Ex-Finanzminister Yanis Varoufakis an.
Nach Ansicht der Wiener Gemeinderätin Laura Sachslehner seien Ernaux wie Varoufakis aufgrund antisemitischer Haltungen untragbar. Dies tat sie auf oe24 kund: „Sollten die Festwochen nach wie vor an dieser schauderhaften Gästeliste festhalten“, müsse es seitens der Stadtregierung ein „Einschreiten“geben: „Auch eine
Rückzahlung der Förderung sollte dann angedacht werden.“
Am Freitag legte Nationalratspräsident Werner Sobotka nach: Ernaux und Varoufakis „als sogenannte Stargäste“bei den Festwochen „auftreten zu lassen, ist für mich skandalös“. Ernaux sei „eine deklarierte Unterstützerin der Israelboykott-Kampagne BDS“, Varoufakis habe „sich bis heute beharrlich geweigert“, den Angriff der Hamas auf Israel vom 7. Oktober 2023 „auch nur in irgendeiner Art und Weise“zu verurteilen: „Es ist unsere historische Verantwortung nicht zuzulassen, dass Menschen, die einen derartig verzerrten moralischen Kompass haben, bei einer der größten Kulturveranstaltungen des Landes eine Bühne bekommen.“Der ÖVP-Politiker forderte Rau auf, die „Herrschaften schleunigst wieder auszuladen“.
Rau konterte umgehend: „Leider ist Herr Sobotka falsch informiert: Weder Ernaux noch Varoufakis werden als ,Stargäste‘ an den Festwochen teilnehmen, noch bei den Festwochen persönlich präsent sein.“Für den „Rat“wurden über 100 Menschen ausgesucht, um die Festwochen bei der Abfassung der „Wiener Erklärung“mit ihrer jeweiligen Expertise zu unterstützen – „unabhängig von ihrer politischen Haltung zum Krieg in Israel und Palästina“. Rau weiter: „Das Wort ,Antisemitismus‘ im Zusammenhang mit Ernaux, Varoufakis oder einem anderen Mitglied des ,Rats‘ zu verwenden – von denen natürlich keines zum BDS gehört, was ein klares Ausschlusskriterium wäre – entleert den Begriff und trägt zu Konflikt, nicht zu Verständigung
bei.“Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler meinte auf Anfrage, dass sie keinen Einfluss auf die Programmierung und Kuratierung nehme. Der „Rat der Republik“sei ein künstlerisches Format, kein politisches Gremium: „Ich habe vollstes Vertrauen, dass es Milo Rau gelingen wird, seine Entscheidungen nachvollziehbar zu machen.“