Kurier (Samstag)

ÜBER leben

- Guido Tartarotti guido.tartarotti@kurier.at

So eine Kur ist vor allem: langweilig. Man hat sehr viel Zeit. Seine Zehen zu zählen. Fliegen an der Wand zu beobachten. Und über Menschen nachzudenk­en, die man liebt. Ab und zu hat man eine Therapie, aber die meiste Zeit starrt man doch die Wand an und zählt die Flecken dort.

Das Essen ist meistens furchtbar, wie man da gesund werden soll, ist rätselhaft. Meistens schreibt man mit lieben Menschen WhatsApps und geht denen furchtbar auf die Nerven. Ab und zu darf man spazieren gehen, aber das ist auch ziemlich fad. Wird man dann entlassen, hat man ein großes Bedürfnis, Leben nachzuhole­n, was aber auch nicht gerade sinnvoll ist.

Ist man dann endlich draußen, sitzt man am liebsten mit seinem besten Freund zusammen und schmiedet Pläne. Was man alles machen könnte, wenn man genügend Zeit dafür hätte.

Typisch für eine Kur ist, dass man rasch in die alten Verhaltens­muster zurückfäll­t und die gerade gewonnene Gesundheit rasch wieder verliert. Zu viel Bier, zu viel Schnitzel, zu viele Zigaretten.

Nach der Kur sitze ich bei meinem engsten Freund und wir überlegen uns, wie wir die Welt retten. Viel fällt uns nicht ein, aber immerhin genügend, um einen lustigen Abend zu haben. Wir denken darüber nach, wie man Unmögliche­s möglich machen kann und kommen auf erstaunlic­h gute Ideen. Vor allem wird uns klar, dass wir bei uns beginnen müssen, um stark und gesund zu werden. Danach ist fast alles möglich, auch das anscheinen­d Unmögliche.

Wir beschließe­n, das Unmögliche zu versuchen, und es fühlt sich ziemlich gut an. Es ist doch so: Mit gutem Willen und viel Stärke ist fast alles möglich, auch, wie gesagt, das anscheinen­d Unmögliche. Darauf stoßen wir an mit einem alkoholfre­ien Bier und fühlen uns ziemlich gut. Nichts ist unmöglich, nicht einmal das Unmögliche. So lässt es sich leben, auch nach der Kur.

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